Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz. Pflichtteil bei Nachlasskonkurs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gegen den Pflichtteilsberechtigten besteht ein Bereicherungsanspruch, wenn ein Pflichtteilsanspruch deshalb gar nicht entstanden ist, weil der Nachlass in dem für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nach §§ 2311, 2313 BGB maßgeblichen Zeitpunkt wegen einer Forderung überschuldet war. Bei Überschuldung des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls entsteht überhaupt kein Pflichtteilsanspruch.

2. Von den Fällen des § 2313 BGB abgesehen kann der Pflichtteilsanspruch durch Wertänderungen nach dem Erbfall (z. B. Erlass einer Nachlassverbindlichkeit durch einen Gläubiger einerseits, ersatzloser Verlust eines Nachlassgegenstandes andererseits) in seinem Bestand und in seiner Höhe nicht beeinflusst werden, er kann auch nicht erst nachträglich entstehen.

 

Normenkette

BGB §§ 2303, 2311, 2313

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 30.09.1988; Aktenzeichen 7 O 557/87)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 30.9.1988 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Wert der Beschwer des Klägers: 17.369,– DM.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Tatbestand

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.)

Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, daß den Nachlaßkonkursgläubigern durch das Verhalten des Beklagten kein Schaden entstanden ist. Zwar steht der Konkursmasse ein Rückgewähranspruch nach §§ 37, 222, 32 Nr. 1 KO nicht zu, denn der Beklagte hat es versäumt, innerhalb der eine Anspruchsvoraussetzung bildenden Frist des § 32 Nr. 1 KO die Eröffnung des Konkursverfahrens herbeizuführen. Dadurch ist den Nachlaßvollgläubigern jedoch kein Schaden entstanden, weil der Masse gegen den Pflichtteilsberechtigten D. O. ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB auf Rückzahlung von 9.817,22 DM sowie auf Herausgabe der empfangenen Gegenstände, deren Wert mit 7.551,– DM angenommen worden war, oder auf Wertersatz zusteht. Diese Leistungen hatte der Pflichtteilsberechtigte zur Erfüllung seines vermeintlichen Pflichtteilsanspruchs aus dem Nachlaß von der Erbin erhalten, die zu diesem Zeitpunkt von der gegen den Nachlaß gerichteten Forderungen der Sparkassenversicherung über ca. 65.000,– DM noch nichts wissen konnte.

1. Wie der Kläger im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf die von ihm eingeholte, auch für den Senat hilfreiche Stellungnahme von Professor G. zutreffend ausführt, besteht gegen den Pflichtteilsberechtigten ein Bereicherungsanspruch, wenn ein Pflichtteilsanspruch deshalb gar nicht entstanden ist, weil der Nachlaß in dem für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nach §§ 2311, 2313 BGB maßgeblichen Zeitpunkt wegen der Forderung der Sparkassen Versicherung überschuldet war. Bei Überschuldung des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls entsteht überhaupt kein Pflichtteilsanspruch (RGRK-Johannsen, 12. Aufl. 1975, § 2317 Rn 1; Staudinger/Ferid/Cieslar, 12. Aufl. 1983, § 2311 Rn 75). Eine Erhöhung oder Verminderung des Pflichtteilsanspruchs kommt nach dem Erbfall nur unter den Voraussetzungen des § 2313 BGB mit der Folge einer Ausgleichsverpflichtung in Betracht (Johannsen aaO. § 2313 Rn 1, 2; Münchener Kommentar-Frank § 2313 Rn 4, 7). Von den Fällen des § 2313 BGB abgesehen kann der Pflichtteilsanspruch durch Wertänderungen nach dem Erbfall (z. B. Erlaß einer Nachlaßverbindlichkeit durch einen Gläubiger einerseits, ersatzloser Verlust eines Nachlaßgegenstandes andererseits) in seinem Bestand und in seiner Höhe nicht beeinflußt werden, er kann auch nicht erst nachträglich entstehen (vgl. Johannsen WM 1970, 113, 114; BGHZ 3, 394, 396). Wohl aber kann der Erbe bei nach dem Erbfall eingetretener Unzulänglichkeit des Nachlasses gemäß §§ 1990, 1991 Abs. 4 BGB i. V. mit § 226 KO die Befriedigung eines entstandenen Pflichtteilsanspruchs verweigern. Hat der Erbe den Pflichtteilsanspruch in Unkenntnis der Überschwerungseinrede erfüllt, kommt ein Bereicherungsanspruch in Betracht (Münchener Kommentar-Siegmann § 1991 Rn 11; Soergel-Stein, 11. Aufl. 1982, § 1991 Rn 8; Palandt-Edenhofer, 48. Aufl. 1989, § 1991 Anm. 4, Palandt-Thomas § 813 Anm. 2. a). Treten die Voraussetzungen der Einrede erst nach dem Zeitpunkt der Leistung ein, scheidet ein Bereicherungsanspruch aus, so daß der Pflichtteilsberechtigte das, was er zur Erfüllung seines entstandenen Pflichtteilsanspruchs aus dem Nachlaß erhalten hat, nur nach § 3 a AnfG oder § 222 KO herausgeben muß.

2. Im vorliegenden Fall ist überhaupt kein Pflichtteilsanspruch entstanden. Der Nachlaß war bereits im Zeitpunkt des Erbfalles objektiv und zweifelsfrei überschuldet. Aus den vom Kläger im Rechtsstreit vorgelegten Unterlagen, insbesondere den verschiedenen Schreiben der Sparkassenversicherung, geht hervor, daß diese bereits gege...

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