Verfahrensgang

LG Ulm (Urteil vom 25.07.1997; Aktenzeichen 3 O 192/97)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 25.07.1997 wie folgt abgeändert:

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Wegen der Entscheidung zur Höhe wird der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Dem Landgericht wird auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtstreits einschließlich der Kosten der Berufung übertragen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufung und Wert der Beschwer für die Beklagte: 113.187,79 DM

 

Tatbestand

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten die nach § 67 StBerG vorgeschriebene Haftpflichtversicherung. Sie hat sich gegenüber einer Mandantin, der Firma R. GmbH, schadensersatzpflichtig gemacht, weil sie die Investitionszulage für das Jahr 1994 verspätet beantragt hat und weil diese Investitionszulage daher nicht gewährt wurde.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aufgrund des Versicherungsvertrages in Anspruch auf Leistung von Schadensersatz. Den behaupteten Gesamtbruttoschaden errechnet sie wie folgt:

Nicht erhaltere Investitionszulage

66.812,00 DM

zuzüglich Gewerbesteuer

20.080,00 DM

zuzüglich Körperschaftssteuer

58.237,00 DM

zuzüglich Solidaritätszuschlag

4.367.00DM

insgesamt

149.469,00 DM

Die Klägerin hat vorgebracht, der Steuerberater und Geschäftsführer G. habe den am 10.07.1995 gefertigten und am 01.08.1995 nochmals besprochenen Antrag im verschlossenen Umschlag seiner Sekretärin zur Weiterleitung als einfachen Brief übergeben. Der Brief sei nicht im Hause der Klägerin liegengeblieben. Der Postversand fristwahrender Schriftstücke sei bei ihr so organisiert, daß diese Schriftstücke immer per Einschreiben versandt würden und hierzu dann der Einschreibbeleg in die Akte eingeordnet werde. Vorliegend habe der Steuerberater die Versendung als Einschreiben versehentlich nicht beachtet. Dieser Fehler sei bei der Anfang September durchgeführten Kontrolle, ob sämtliche Anträge gefertigt worden seien, ebenfalls nicht bemerkt worden.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 113.187,79 DM nebst 9,25 % Zinsen seit 04.03.1997 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

  1. die Klage abzuweisen und
  2. der Beklagten nachzulassen, jedwede Sicherheit in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank bzw. öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu stellen.

Die Beklagte beruft sich auf das Vorliegen des Ausschlußtatbestandes von § 4 Nr. 6 Satz 1 der allgemeinen Bedingungen für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und von Angehörigen der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (AVB-WB).

Hierzu hat die Beklagte vorgebracht:

Der Ausschlußtatbestand sei gegeben, weil die Klägerin die Fristenkontrolle und die Kontrolle der für die Einhaltung von Fristen maßgeblichen Post bewußt nicht so geregelt habe, daß Vorkehrungen zur Vermeidung von Büroversehen getroffen worden seien. Dies ergebe sich aus der Einspruchsentscheidung des Finanzamts L. vom 20.01.1997.

Im übrigen werde die Höhe des geltend gemachten Anspruchs bestritten. Mit Urteil vom 25.07.1997 (Bl. 94–100), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihr am 31.07.1997 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 01.09.1997 eingegangenen Berufung. Die Begründungsfrist wurde am 29.09.1997 bis zum 03.11.1997 verlängert. Am 31.10.1997 ging die Berufungsbegründung ein.

Die Klägerin hält an ihrem erstinstanzlichen Vortrag fest. Sie bleibt dabei, daß eine wissentliche Pflichtverletzung nicht vorgelegen habe. Die Fristversäumung beruhe nicht auf einem Organisationsverschulden, sondern auf dem Versehen des Geschäftsführers der Klägerin, der versäumt habe, den Investitionszulageantrag per Einschreiben zu versenden und der bei der Überprüfung Anfang September nochmals den fehlender Nachweis des Zugangs nicht erkannt und korrigiert habe.

Die Klägerin beantragt:

Unter Abänderung des am 25.07.1997 verkündeten Urteils des Landgerichts Ulm wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 113.187,79 DM nebst 9,25 % Zinsen seit 04.03.1997 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die Beklagte hält an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen fest. Die Klägerin habe keine Organisation, die die Überprüfung der Erledigung und Absendung fristfahrender Schriftstücke sicherstelle. Das Fehlen jeglicher Organisationsform im Hinblick auf eine wirksame Kontrolle sei bei Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe als wissentliche Pflichtverletzung einzuschätzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter und die von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. In der Sache führt sie zur Abänderung des angefochtenen Urteils. Da der Klaganspruch nach Grund und Betrag streitig ist und da der Streit über den Betrag des Anspruchs noch nicht zur Entscheidung reif ist, ist auszusprechen,...

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