Leitsatz (amtlich)

Zum Schadensersatzanspruch der Bundesagentur für Arbeit gegen die Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft wegen Insolvenzverschleppung Die Bundesagentur für Arbeit, die im Wege des Schadensersatzes nach § 826 BGB Erstattung des an die Arbeitnehmer der Insolvenschuldnerin gezahlten Insolvenzgeldes wegen Insolvenzverschleppung begehrt, muss darlegen und beweisen, dass ihre Zahungspflicht gerade dadurch entstanden ist, dass die Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin verspätet Insolvenzantrag gestellt haben. Selbst wenn die - zum Zeitpunkt der behaupteten Insolvenzreife überschuldete - Insolvenzschuldnerin die Löhne ihrer Arbeitnehmer bis kurz vor der angeblich verspäteten Antragstellung bezahlt hat, genügt die Bundesagentur für Arbeit dieser Darlegungslast jedenfalls dann nicht, wenn sie den Vortrag der Prozessgegner nicht substantiiert bestreitet, auch bei früherer Antragstellung wäre die Insolvenzschuldnerin dadurch zahlungsunfähig geworden, dass die Hausbank die gewährten Kreditlinien sofort gekündigt hätte.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2, § 826; GmbHG a.F. § 64 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 31.03.2009; Aktenzeichen 15 O 251/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 31.3.2009 - 15 O 251/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 50.000 EUR.

 

Gründe

A.I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten im Wege des Schadensersatzes die Erstattung von Insolvenzgeld, welches sie an die Arbeitnehmer der Gesellschaft T. GmbH gezahlt hat.

Die mit rechtskräftigem Strafbefehl des AG W. (vgl. K 1, Bl. 10 d.A.) u.a. wegen vorsätzlicher Insolvenzverfahrensverschleppung verurteilten Beklagten waren zu unterschiedlichen Zeitpunkten Geschäftsführer der vorgenannten Gesellschaft. Im August 2002 wurde die T. GmbH zahlungsunfähig, nachdem die Kreissparkasse W. die von ihr gewährten Kredite gekündigt hatte. Ab 1.8.2002 bezahlte die Gesellschaft Löhne und Gehälter an ihre Arbeitnehmer nicht mehr aus. Der Beklagte Ziff. 1 stellte am 29.8.2002 Insolvenzantrag. Mit Beschluss des AG Stuttgart vom 31.10.2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.

Im Zeitraum vom 01.08. bis 31.10.2002 bezahlte die Klägerin an die Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin Insolvenzausfallgeld i.H.v. insgesamt 121.948,40 EUR. Mit der Klage begehrt sie die Erstattung eines Teilbetrages i.H.v. 50.000 EUR.

II.1. Die Klägerin hat vorgetragen,

ihr stehe ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten gem. § 826 BGB auf Erstattung des an die Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin gezahlten Insolvenzgeldes zu. Die Beklagten hätten sie sittenwidrig geschädigt, indem sie es schuldhaft unterlassen hätten, rechtzeitig - nämlich der Beklagte Ziff. 1 spätestens am 21.1.2000, jedenfalls aber ab dem 18.2.2000, und der Beklagte Ziff. 2 am 4.7.2000 - Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, obwohl sie gewusst hätten, dass die Insolvenzschuldnerin seit 31.12.1999 überschuldet gewesen sei.

Die Erfüllung der Lohn- und Gehaltsansprüche in der Zeit nach Eintritt der Insolvenzreife begründe eine tatsächliche Vermutung, mindestens aber ein gewichtiges Indiz dafür, dass auch bei rechtzeitiger Antragstellung genügend Mittel für Löhne und Gehälter vorhanden gewesen wären.

Das von den Beklagten behauptete Gesamtkonzept einer Fremdfinanzierung des Schuldnerunternehmens sei unbekannt und werde bestritten.

2. Die Beklagten haben bestritten,

den Insolvenzantrag verspätet gestellt zu haben. Jedenfalls sei der Klägerin durch die behauptete verspätete Antragstellung ein Schaden nicht entstanden, da sie Insolvenzgeld auch bei früherer Insolvenzantragstellung hätte bezahlen müssen.

Die Insolvenzschuldnerin sei in erheblichem Umfang im Rahmen eines Universalkreditvertrages der gesamten T.-Gruppe mit der Kreissparkasse W. fremdfinanziert gewesen. Wäre zu den von der Klägerin genannten Zeitpunkten Insolvenzantrag gestellt worden, hätte die Kreissparkasse W. die bestehenden Kreditlinien jedenfalls für die Insolvenzschuldnerin sofort gekündigt. Dies werde von der Kreissparkasse in vergleichbaren Fällen durchgängig so praktiziert und sei auch vorliegend im Jahr 2002 - sogar bereits vor Insolvenzantragstellung - geschehen.

III.1. Das LG hat die Klage abgewiesen.

a) Zwar könne nach der Rechtsprechung des BGH, gegen die allerdings Bedenken grundsätzlicher Art bestünden, eine vorsätzliche Insolvenzverschleppung den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB erfüllen, wenn dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf genommen werde.

Selbst wenn man dieser Rechtsprechung folge, habe die Klägerin jedoch die Voraus...

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