Verfahrensgang

LG Tübingen (Urteil vom 23.04.2021; Aktenzeichen 3 O 306/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 23.04.2021, Az. 3 O 306/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

3. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts, soweit es aufrechterhalten wird, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 13.130,56 EUR festgesetzt.

...

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

1. Der dem Kläger an sich zustehende Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB wegen der ursprünglich im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs installierten Prüfstandserkennungssoftware (vgl. hierzu beispielsweise BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21 -, Rn. 25, juris) ist verjährt. Die zutreffenden Feststellungen des Landgerichts zur Verjährung des Anspruchs werden auch nicht angegriffen.

2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte jedoch entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts (Urt. Seite 13 ff.) ein durchsetzbarer Anspruch gem. §§ 826, 31 i.V.m. § 852 Satz 1 BGB nicht zu.

a) Nach § 852 BGB ist ein Ersatzpflichtiger, der durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten eines Verletzten etwas erlangt hat, auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet, wobei dieser Anspruch in zehn Jahren von seiner Entstehung an verjährt bzw. ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an. Die Beklagte hat etwas auf Kosten des Klägers erlangt. Dieses Merkmal erfordert keine unmittelbare Vermögensverschiebung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger. Es ist vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anzustellen. Es reicht, wenn der Vermögenszuwachs bei dem Schädiger und die Vermögenseinbuße bei dem Geschädigten kausal auf die deliktische Handlung zurückzuführen sind (BGH, Urteil vom 14.02.1978, X ZR 19/76, Rn. 62 f. bei juris). Der Kläger hat auch einen Schaden erlitten: Bei einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung wie im Streitfall liegt auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung ein subjektbezogener Vermögensschaden vor, wenn der Betroffene - wie vorliegend der Kläger - durch das sittenwidrige Verhalten unter Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts zum Abschluss eines Kaufvertrags über ein für seine Zwecke nicht voll brauchbares Fahrzeug gebracht wird, das er in Kenntnis dieser Umstände nicht gekauft hätte, und der Kaufvertrag deshalb seinen konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit wirtschaftlich nachteilig ist (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 46 f. und 53; Urteil vom 20. Juli 2021 - VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594 Rn. 16). Sein dadurch eingetretener Vermögensschaden setzt sich in dem Verlust des Kaufpreises fort, den er in Erfüllung der ungewollten Kaufvertragsverpflichtung an den Verkäufer zahlt (BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21 -, juris Rn. 70).

b) In der vorliegenden Konstellation des Erwerbs eines von einer Tochtergesellschaft der Beklagten hergestellten und in den Verkehr gebrachten Fahrzeugs, das mit einem von der Beklagten hergestellten und mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motor ausgestattet ist, scheidet ein Anspruch des Geschädigten nach § 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte regelmäßig auch dann aus, wenn der Geschädigte das Fahrzeug als Neuwagen erworben hat (BGH, Urt. v. 14.7.2022, Az. VII ZR 422/21, BeckRS 2022, 21386, Rn. 34). Denn in diesen Fällen hat die Beklagte einen wirtschaftlichen Vorteil allenfalls im Zusammenhang mit der Herstellung und Veräußerung des Motors erlangt und nicht durch das spätere Inverkehrbringen des nicht von ihr entwickelten und hergestellten Fahrzeugs, in das der Motor eingebaut wurde. Der schadensauslösende Vertragsschluss über den Fahrzeugerwerb zwischen Geschädigtem und Fahrzeughändler einerseits sowie ein möglicher Vorteil der Beklagten aus der konzerninternen Überlassung des Fahrzeugmotors an den Fahrzeughersteller andererseits beruhen gerade nicht auf derselben auch nicht nur mittelbaren - Vermögensverschiebung, wie sie der Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB voraussetzt. Dem Motorhersteller, der einen Vorteil bereits mit der Herstellung und Veräußerung des Motors realisiert hat, fließt im Zusammenhang mit dem Abschluss des ungewollten Kaufvertrags und dem hierauf beruhenden Vermögensschaden des geschädigten Fahrzeugerwerbers durch seine (des Motorherstellers) unerlaubte Handlung nichts - mehr - zu (BGH, Urt. v. 14.7.2022, Az. VII ZR 422/21, BeckRS 2022, 21386, Rn. 34; Urt. v. 10.2.20...

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