Verfahrensgang

LG Rottweil (Urteil vom 05.07.2019; Aktenzeichen 3 O 469/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 05.07.2019, Aktenzeichen 3 O 469/18 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs Typ: Polo Fahrzeug-Identifizierungsnummer: ... an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 9.845,64 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.02.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.02.2019 zu erstatten.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz trägt die Klagepartei 30 %, die Beklagte 70 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klagepartei Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Klagepartei kann die Vollstreckung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

VI. Streitwert: Streitwertstufe bis 16.000,00 EUR

 

Gründe

A. Die Klagepartei begehrt mit ihrer Klage von der Beklagten Schadensersatz aus unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkw, der vom sogenannten "Abgasskandal" betroffen ist.

Die Klagepartei erwarb am 29.09.2014 bei der Fa. B. gesellschaft mbH den PKW Polo 1.6 TDI zum Kaufpreis von brutto 13.000,00 EUR (Anl. K 1, GA I Bl. 47). Es handelte sich um ein Gebrauchtfahrzeug, das bei Übergabe an die Klagepartei einen Kilometerstand von 29.500 km aufwies. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Typs EA 189 der Emissionsklasse Euro-5 verbaut. Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger eine EG-Typgenehmigung nach der Euro-5-Norm vor. Die bei dem Fahrzeug verbaute Motorsteuergerätesoftware wies zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltete sie in den Modus eins, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kam. Außerhalb des NEFZ wurde das Fahrzeug im Modus null betrieben, was zu höheren Emissionen führt.

In einer Ad-hoc-Mitteilung vom 22.09.2015 informierte die Beklagte über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren vom Typ EA 189. Mit Bescheid vom 15.10.2015 erließ das Kraftfahrtbundesamt bezüglich der Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nachträgliche Nebenbestimmungen, da es davon ausging, dass die verwendete Motorsteuersoftware eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält. Hierauf entwickelte die Beklagte ein Software-Update, das vom Kraftfahrtbundesamt für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs freigegeben wurde.

Die Klagepartei, die erstinstanzlich wie im Berufungsverfahren beantragt hat, hat im Wesentlichen vorgetragen, das Verhalten der Beklagten erfülle den Tatbestand einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB. Die bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motorsteuersoftware sei eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007. Die streitgegenständliche Programmierung sei mit Kenntnis der verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten erfolgt. Im Übrigen müsse sich die Beklagte Wissen ihrer Mitarbeiter, die dieses entgegen einer entsprechend Pflicht nicht weitergeleitet hätten, zurechnen lassen. Wenn sie von dem Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hätte, so hätte sie das Fahrzeug nicht erworben. Im Rahmen des Schadensersatzes seien Gebrauchsvorteile im Rahmen des Vorteilsausgleichs nicht anzurechnen. Für den Fall, dass Nutzungen anzurechnen seien, sei von einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 500.000 km auszugehen. Ferner könne sie Deliktszinsen aus § 849 BGB verlangen. Zudem seien außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,5 Gebühr gem. Nr. 2300 VV RVG nebst Kostenpauschale und Umsatzsteuer zu erstatten.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen, das streitgegenständliche Fahrzeug habe die Voraussetzungen für die Typgenehmigung erfüllt. Die bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motorsteuersoftware sei keine unzulässige Abschalteinrichtung. Nach derzeitigem Ermittlungsstand habe der Vorstand der Beklagten im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses weder von der Programmierung noch von der Verwendung der Software Kenntnis gehabt. Auch sei dem Kläger kein Schaden entstanden, insbesondere, da das Fahrzeug für die Zwecke des Klägers u...

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