Entscheidungsstichwort (Thema)

Werklohnforderung

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Urteil vom 09.07.1996; Aktenzeichen 3 O 222/96)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 9. Juli 1996 – 3 O 222/96 – wird

zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Beklagten:

DM 47.467,23

 

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die beklagte Gemeinde im Ergebnis zu Recht zur Zahlung von DM 47.467,23 verurteilt; der klägerische Zahlungsanspruch ergibt sich zwar nicht aus § 2 Nr. 5 VOB/B; er ist jedoch als Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo begründet.

1.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Vergütungsanpassung nach § 2 Nr. 5 VOB/B liegen nicht vor. Bei der vom Zweckverband Erddeponie … durch Satzungsänderung vom 23. März 1993 vorgenommenen Erhöhung der Deponiegebühren handelt es sich entgegen der Ansicht des Landgerichtes nicht um eine „Anordnung” im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B. Das macht die Berufung zu Recht geltend.

Der Begriff der „Anordnung” setzt einseitige Maßnahmen des Auftraggebers voraus. Hierunter ist eine eindeutige, Befolgung durch den Auftragnehmer erheischende Aufforderung des Auftraggebers zu verstehen, eine Baumaßnahme in bestimmter Weise auszuführen (OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 730, 731; Ingenstau-Korbion, VOB, 13. Aufl. 1996, § 2 VOB/B, Rdnr. 273). Durch die Erhöhung der Deponiegebühren wird jedoch der im Bauvertrag über die Tiefbauarbeiten vom 12.2./1.3.1993 vereinbarte Bauinhalt („das Bausoll”) nicht verändert; solange das Bausoll aber unverändert bleibt, führen spätere auftraggeberseitige Anordnungen nicht zu Vergütungsansprüchen (Kapellmann-Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen im Bauvertrag, Bd. 1, 1993, Rdnr. 494).

2.

Offenbleiben kann, ob Anweisungen des Bauherrn, überschüssigen Aushub auf der Deponie … zu entsorgen, Vergütungsansprüche nach § 2 Nr. 5 VOB/B auslösen können. Aus einer „Anordnung” nach § 2 Nr. 5 VOB/B ergeben sich für den Auftragnehmer zusätzliche vertragliche Leistungspflichten; deshalb müssen solche Anordnungen für den Auftragnehmer eindeutig als Vertragserklärungen verpflichtend sein (BGH NJW-RR 1992, 1046). Daran fehlt es. Das Landgericht stellt insoweit unangegriffen fest, daß das Anfahren der Deponie … „nicht rechtlich geboten” war; etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Ziff. 2.5 der Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis, wonach die Ablagerung des Materials in der Regel auf eine Deponie des Landkreises zu erfolgen hat (vgl. Anl. K 2). Der Umstand, daß das Anfahren der Deponie … nach Ansicht des Landgerichtes „aus wirtschaftlichen Gründen praktisch zwingend war” (Bl. 37 d.A.), führt nicht zu einer konkludenten oder stillschweigenden Weisung des Bauherrn.

3.

Fehlt es somit bereits an einer „Anordnung” im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B, braucht der Frage nicht weiter nachgegangen werden, ob die beklagte Gemeinde als Mitbetreiberin der Deponie … als „Auftraggeber” im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B anzusehen ist.

4.

Die Klage ist jedoch aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo begründet.

Ansprüche aus c.i.c. sind gegeben, wenn der Vertrag durch eine pflichtwidrige Einwirkung auf die Willensbildung des Geschädigten zustandekommt; in der Regel geht es darum, daß der Schädiger dem Geschädigten unrichtige oder unvollständige Informationen gegeben hat (Palandt-Heinrichs, 55. Aufl. 1996, § 276. Rdnr. 78). Bei Verschweigen von Tatsachen sind Ansprüche aus c.i.c. jedoch nur dann anzunehmen, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten darf (BGH NJW 1989, 1793, 1794). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Die Klägerin hat sich vor Abgabe des Angebotes bei der Beklagten nach der Höhe der Kippgebühren auf der Deponie … erkundigt, dabei einen Preis von DM 5,20 pro Tonne erfahren und ihrer Kalkulation zugrunde gelegt. Die klägerische Kalkulation, in der die Aufwendungen für Kippgebühren mit DM 5,20 pro Tonne festgehalten waren, lag der beklagten Gemeinde bei Unterzeichnung des Bauvertrages am 1.03.1993 vor. Zu diesem Zeitpunkt aber wußte die Beklagte, wie sie im Termin vor dem Senat eingeräumt hat, bereits, daß der Zweckverband Erddeponie die Deponiegebühren mit Wirkung ab 1.04.1993 auf DM 8,00 pro Tonne erhöhen würde. Nachdem für die beklagte Gemeinde erkennbar war, daß die Klägerin ihre Aufwendungen für das Abfahren überschüssigen oder unbrauchbaren Bodens auf der Basis unrealistischer Gebührensätze kalkuliert hatte, hätte sie redlicherweise bei Vertragsschluß auf die nur wenige Wochen später eintretende Gebührenerhöhung hinweisen müssen.

Entgegen der Ansicht der beklagten Gemeinde mindert sich der klägerische Ersatzanspruch nicht nach § 254 BGB. Soweit die Beklagte behauptet, die Gebührenerhöhung sei voraussehbar gewesen, ist nicht dargetan, daß dies auch für die in … ansässige Klägerin der Fall war. Auch der Umstand, daß s...

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