Leitsatz (amtlich)

Der Veräußerer einer in Wohnungseigentum umgewandelten Altbauwohnung, der den Erwerber schuldhaft über den geplanten, auf einer behördlichen Auflage beruhenden Einbau einer Feuertreppe vor dem einzigen Fenster der Wohnung nicht aufklärt, hat dem Erwerber, der am Vertrag festhält, als Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluß den Betrag zu ersetzen, um den dieser die Wohnung zu teuer erworben hat (im Anschluß an BGH, 1977-05-25, VIII ZR 186/75, BGHZ 69, 53; BGH, 1980-06-02, VIII ZR 64/79, NJW 1980, 2408; BGH 1981-04-01, VIII ZR 51/80, NJW 1981, 2050; BGH, 1987-03-20, V ZR 27/86, NJW 1987, 2511).

 

Tatbestand

Die Klägerin erwarb mit „Kaufvertrag” vom 22. Mai 1984 von den Beklagten in einem von diesen renovierten und in eine Wohnungseigentumsanlage umgewandelten Altbau eine Eigentumswohnung zum Preis von 95.000 DM, die sie am 15. Juli 1984 bezog. In § 3 Nr. 2 des Vertrags wurde u.a. vereinbart, daß „der Verkäufer … für die von ihm erstellten oder ausgeführten Gewerke im Kaufobjekt die Gewährleistung nach den Vorschriften der VOB” übernimmt.

Die aus einem Wohn-Schlafzimmer und Nebenräumen bestehende Wohnung befindet sich im ersten Obergeschoß des Hauses; Loggia und (einziges) Fenster des Wohn-Schlafzimmers liegen – wie in den entsprechenden Wohnungen der anderen Geschosse – zur Hofseite. Den Beklagten war deshalb von dem zuständigen Bauaufsichtsamt die Auflage erteilt worden, an der Rückfront des Hauses eine Feuertreppe einzubauen. Hierfür war zunächst – wie sich aus den beim Grundbuchamt mit der Teilungserklärung eingereichten Aufteilungsplänen, insbesondere einer Zeichnung der Hofansicht sowie einer Grundrißzeichnung des ersten Obergeschosses ergibt – eine Wendeltreppe vorgesehen, die zwischen der Loggia und dem Fenster der von der Klägerin erworbenen Wohnung verlaufen sollte. Davon abweichend ließen die Beklagten jedoch im Juni 1985 an der Fassade zur Hofseite eine Feuerleiter errichten, die – als Gitterkonstruktion – waagerecht vor dem Fenster und senkrecht zwischen dem Fenster und der Loggia der von der Klägerin erworbenen Wohnung angebracht ist.

Die Klägerin behauptet, sie sei von den Beklagten beim Erwerb der Wohnung nicht auf die Notwendigkeit einer Feuertreppe hingewiesen worden. Sie ist der Ansicht, durch den nachträglichen Einbau der Treppe werde der Wert ihrer Wohnung beeinträchtigt und verlangt daher von den Beklagten eine Minderung des Erwerbspreises in Höhe von 10%. Ihrer auf Zahlung von 9.500 DM nebst Zinsen gerichteten Klage hat das Landgericht stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision, die die Beklagten zurückzuweisen bitten, begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht nimmt an, eine Haftung der Beklagten nach § 13 VOB/B scheide aus, weil die isolierte Vereinbarung der Gewährleistung nach der VOB/B gegen §§ 9 und 11 Nr. 10f AGBG verstoße und daher unwirksam sei. Ein Anspruch auf Minderung oder Schadensersatz nach §§ 634 Abs. 1, 635 BGB stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu. Durch den Einbau der Feuertreppe seien die Beklagten nur einer behördlichen Auflage nachgekommen, ihre Leistung weise daher keinen Mangel auf. Die Beklagten hätten somit ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin mangelfrei erfüllt.

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht geht – im Anschluß an die Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHZ 96, 129; 100, 391, 399; 101, 369; NJW 1987, 2373) – zutreffend davon aus, daß die Klägerin aufgrund der in § 3 Nr. 2 des Erwerbsvertrags getroffenen Vereinbarung etwaige Gewährleistungsansprüche nicht auf § 13 Nr. 6, 7 VOB/B, sondern allenfalls auf die gesetzlichen Vorschriften des Werkvertragsrechts stützen kann. Auch verneint es mit Recht einen Anspruch der Klägerin auf Minderung des Erwerbspreises oder auf Schadensersatz gemäß §§ 634, 635 BGB.

Zwar kann der Mangel eines Werkes – ebenso wie der Fehler einer gekauften Sache – nicht nur in einer körperlichen Eigenschaft des Werkes selbst liegen. Er kann sich vielmehr auch aus tatsächlichen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Beziehungen des Werkes zu seiner Umwelt ergeben, wenn diese für die Brauchbarkeit und den Wert des Werkes bedeutsam sind. Diese Beziehungen müssen aber in der Beschaffenheit des Werkes selbst ihren Grund haben; sie dürfen sich nicht erst durch Heranziehung von außerhalb des Werkes liegenden Verhältnissen oder Umständen ergeben (so für Fehler eines Kaufgegenstandes BGHZ 98, 100, 104).

Danach stellt die nach dem Erwerb der Wohnung durch die Klägerin an der Rückfront des Hauses eingebaute Feuertreppe keinen Mangel der Wohnung dar. Die Treppe beeinträchtigt nicht die Nutzung der Wohnung durch die Klägerin, auch beschränkt sie nicht den mit dem Erwerb der Wohnung vorausgesetzten Gebrauch als Wohnraum, sondern ermöglicht ihn sogar erst. Denn der Einbau der Treppe beruht auf einer behördlichen Auflage, der die Beklagten nachkommen mußten, um die Wohnung überhaupt bezugsfähig machen und damit mangelfrei übergeben zu können.

II. Das Berufungsgericht nimmt weiter an, die Klägerin habe auch keinen Schadensersatzanspruch aus Verschulden der Beklagten bei Vertragsschluß. Ein solcher Anspruch werde durch die Sonderregelung des Gewährleistungsrechts verdrängt, sofern es um Mängel der veräußerten Wohnung gehe. Beziehe sich der Anspruch auf die Haftung der Beklagten wegen unterlassener Aufklärung der Klägerin über die Gestaltung der Rückfront des Hauses, wäre er auf Ersatz des negativen Interesses und somit auf Rückgängigmachung des Vertrags gerichtet. Die Klägerin wolle jedoch die Wohnung behalten und verlange einen Ausgleich für die behauptete Beeinträchtigung. Zwar billige die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Geschädigten Ausgleichsansprüche insofern zu, als er einen zu hohen Preis für die Gegenleistung gezahlt habe. Dieser Rechtsprechung, die im Wege der Rechtsfortbildung eine Vertragsanpassung vornehme, könne aber nicht gefolgt werden. Sie führe dazu, daß nicht mehr das Vertrauensinteresse ersetzt werde, also der Schaden, der durch die nicht hinreichende Aufklärung des Vertragspartners entstanden sei. Vielmehr werde beiden Parteien ein Vertragsabschluß zu einem geringeren Preis unterstellt. Dies könne jedoch – bei entsprechender Aufklärung der Klägerin – nur auf seiten der Klägerin angenommen werden. Dagegen könne nicht davon ausgegangen werden, daß auch die Beklagten einen solchen Vertrag abgeschlossen hätten.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei Verhandlungen über den Abschluß eines Vertrags für den Verhandlungspartner grundsätzlich die Verpflichtung, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet sind. Eine solche Offenbarungspflicht wird vor allem dann bejaht, wenn Umstände vorliegen, die der andere Teil nicht kennt, die aber – für den Verhandlungspartner erkennbar – für dessen Entschluß, den Vertrag abzuschließen, von wesentlicher Bedeutung sein können. Offenbart der Verhandlungspartner schuldhaft solche Tatsachen nicht, deren Mitteilung von ihm nach Treu und Glauben erwartet werden kann, verletzt er eine vorvertragliche Aufklärungspflicht und ist dem anderen Teil wegen Verschuldens bei Vertragsschluß zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. BGH NJW 1970, 653, 655; 1974, 849, 851; 1985, 1769, 1771; jeweils m.w.N.).

a) So ist es hier. Der geplante Einbau einer Feuertreppe vor dem Fenster des Wohn-Schlafzimmers einer nur aus diesem Raum bestehenden Eigentumswohnung – dem einzigen Fenster der Wohnung überhaupt – ist ein Umstand, der für den Entschluß eines Interessenten, die Wohnung zu erwerben, von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Die Beklagten waren daher verpflichtet, die Klägerin bei den Vertragsverhandlungen darüber aufzuklären, daß an der Rückfront des Hauses aufgrund einer behördlichen Auflage eine Feuerleiter angebracht werden muß. Dieser Verpflichtung kamen sie – wie das Berufungsgericht festgestellt hat – nicht nach. Der Klägerin steht somit gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß zu.

b) Dieser Anspruch wird durch die Gewährleistungsvorschriften der §§ 634, 635 BGB nicht ausgeschlossen; denn der Einbau der Feuerleiter ist – wie ausgeführt – kein Mangel der von der Klägerin erworbenen Wohnung. Der Einbau war im Gegenteil notwendig, um die Wohnung beziehbar, also mangelfrei zu machen. Dann aber war das „Nichtanbringen” der Feuerleiter auch keiner Eigenschaftszusicherung gem. § 633 Abs. 1 BGB zugänglich, wie die Beklagten in der Revisionserwiderung meinen. Denn das würde darauf hinauslaufen, daß hier das Vorhandensein eines Fehlers hätte zugesichert werden müssen. Damit würde der Zweck der Zusicherung einer Eigenschaft, die Mängelhaftung zu verstärken, ins Gegenteil verkehrt. Das ist nicht möglich; jedenfalls würde ein verantwortungsbewußter Veräußerer eine solche Zusicherung nicht geben, ein vernünftiger Erwerber würde sie nicht verlangen.

Deshalb wird ein Fall der vorliegenden Art von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erfaßt, nach der die Sondervorschriften über die Gewährleistung eine Haftung aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß für lediglich fahrlässige Verletzung einer Offenbarungspflicht schon dann ausschließen, wenn sich diese Pflicht auf zusicherungsfähige Eigenschaften des Liefergegenstandes bezieht, ohne daß die Eigenschaften auch tatsächlich zugesichert sein müßten (vgl. dazu BGHZ 60, 319; BGH NJW 1984, 2938; Urt. vom 10. Juli 1987 – V ZR 236/85 = NJW-RR 1988, 10, 11, jeweils m.w.N.). Vielmehr ist hier Verschulden bei Vertragsschluß durchaus die richtige Anspruchsgrundlage für eine Haftung der Beklagten wegen der verunstalteten, aber mangelfreien Rückfront des Hauses.

2. Der auf Verschulden bei Vertragsschluß beruhende Schadensersatzanspruch ist grundsätzlich auf Ersatz des Vertrauensschadens gerichtet. Der bei Vertragsverhandlungen durch Verletzung einer Mitteilungs- und Aufklärungspflicht Geschädigte, der einen Vertrag abgeschlossen hat, kann daher verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schuldhafte Verhalten des Verhandlungspartners – also ohne Zustandekommen des Vertrags – stehen würde. Er hat somit einen Anspruch auf Befreiung von dem abgeschlossenen Vertrag und auf Ersatz seiner nutzlos erbrachten Aufwendungen (vgl. BGHZ 69, 53, 56; BGH NJW 1981, 1035, 1036; jeweils m.w.N.). Will er jedoch am Vertrag festhalten, muß er so behandelt werden, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem günstigeren Preis abzuschließen. Dabei kommt es nicht auf den – hypothetischen und ohnehin kaum zu führenden – Nachweis an, ob auch der andere Teil sich damals mit einem Vertragsschluß unter diesen Bedingungen einverstanden erklärt hätte. Entscheidend ist vielmehr, wie sich der geschädigte Vertragspartner bei Kenntnis der ihm verschwiegenen Umstände verhalten hätte. Bei Abschluß des Kaufvertrags durch einen nicht entsprechend aufgeklärten Käufer stellt deshalb der Betrag einen ersatzfähigen Schaden dar, um den der Käufer im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Verkäufers den Gegenstand zu teuer erworben hat (BGHZ 69, 53, 58; BGH NJW 1980, 2408, 2409/2410; 1981, 2050, 2051; 1987, 2511, 2512; vgl. auch Urteile NJW-RR 1988, 10, 11; vom 16. Oktober 1987 – V ZR 153/86 = WM 1987, 1466, 1467 und vom 27. September 1988 – XI ZR 4/88 = WM 1988, 1685, 1688).

3. Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof zwar zunächst für die Abwicklung von Kaufverträgen über Geschäftsanteile an Gesellschaften, über ein Flugzeug und über eine bereits errichtete Eigentumswohnung entwickelt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bestehen aber keine Bedenken, sie auch auf einen Werkvertrag anzuwenden, mit dem eine in eine Eigentumswohnung umgewandelte Altbauwohnung veräußert wird. Die Interessenlage des Bestellers eines Werkvertrags unterscheidet sich in einem solchen Fall nicht von der eines Käufers. Auch der Erwerber einer Eigentumswohnung erleidet einen Schaden, wenn er über Umstände, die für seinen Erwerbsentschluß maßgebend waren, nicht aufgeklärt wurde und deshalb den Vertrag zu einem aus seiner Sicht überhöhten Erwerbspreis abschloß. Steht ihm wegen der unterbliebenen Aufklärung gegen den Veräußerer wegen Verschuldens bei Vertragsschluß ein Schadensersatzanspruch zu und hält er am Vertrag fest, muß deshalb ebenfalls der Betrag als ersatzfähiger Schaden anerkannt werden, um den er die Wohnung zu teuer erworben hat. In einem solchen Fall wird – anders als das Berufungsgericht meint – durchaus ein Vertrauensinteresse des Geschädigten ersetzt. Denn der Geschädigte hätte, wäre er entsprechend aufgeklärt worden, für den Erwerb der Wohnung weniger aufgewendet als er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Veräußerers letztlich bezahlt hat. Es ist daher nur sach- und interessengerecht, den am Vertrag festhaltenden Erwerber einen Schadensersatzanspruch gegen den Veräußerer aus Verschulden bei Vertragsschluß in der Weise zuzubilligen, daß er eine entsprechende Herabsetzung des vereinbarten Preises und Rückzahlung des Mehrbetrags verlangen kann.

4. Die Klägerin hätte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den Vertrag über den Erwerb der Eigentumswohnung zu einem geringeren Preis abgeschlossen, wenn sie von den Beklagten über die einzubauende Feuerleiter aufgeklärt worden wäre. Da sie auch – wie ihr Klagebegehren zeigt – am Vertrag festhalten will, liegen die Voraussetzungen für den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz in Form einer Herabsetzung des Erwerbspreises vor. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es dabei ohne Bedeutung, daß die Beklagten unter Umständen nicht bereit gewesen wären, ebenfalls zu einem geringeren Preis die Wohnung an die Klägerin zu veräußern; auf diesen ohnehin kaum zu führenden Nachweis kommt es nicht an (vgl. BGHZ 69, 53, 58).

III. Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben; es ist aufzuheben. Das Berufungsgericht hat über die Höhe des von der Klägerin behaupteten Schadens, den diese mit 10% des für die Wohnung gezahlten Preises in Höhe von 95.000 DM, also mit 9.500 DM beziffert, keine Feststellungen getroffen. Der Senat ist daher nicht in der Lage, nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend zu entscheiden. Vielmehr ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 650385

NJW 1989, 1793

JZ 1989, 592

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