Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsvertrag: Beratungspflichtverletzung im Zusammenhang der Kündigung eines Versicherungsvertrags und dem "Verkauf" des durch die Kündigung erhaltenen Geldes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Da Hintergrund für die Einschaltung des beklagten Rechtsanwalts die anwaltliche Prüfung und die damit verbundene Kontrolle rechtlicher Risiken der Geschäfte war, ist von einem anwaltlichen Mandat auszugehen, das sich auf die Auflösung von Versicherungsverträgen einerseits und den Abschluss eines "Kaufvertrags" über den gesamten Erlös mit der S... AG beschränkte.

2. Eine Beratungspflichtverletzung, die auch bei einem beschränkten Mandat in den Grenzen des erteilten Mandats besteht (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 9. Juli 1998, IX ZR 324/97, VIZ 1998, 571), ist vorliegend darin zu sehen, dass der Beklagte im Rahmen des ihm obliegenden Abschlusses des "Kaufvertrags" namens des Klägers nicht geprüft hat, ob dieser überhaupt wirksam ist und ob die Eingehung des Geschäfts nicht rechtliche Risiken birgt, die sich hier insbesondere daraus ergeben, dass es sich vorliegend um ein nach dem KWG genehmigungspflichtiges Einlagengeschäft gehandelt hat und die S... AG nicht über die erforderliche Genehmigung nach § 32 KWG verfügte.

3. Mit dem Abschluss des "Kaufvertrags" verkaufte der Beklagte Geld gegen das Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt von der S... AG das Doppelte zurück zu erhalten, womit der Sache nach ein Darlehensvertrag vorliegt, der als Einlagengeschäft nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG einzuordnen ist.

4. § 32 KWG wird als Schutzgesetz zugunsten des einzelnen Anlegers verstanden, so dass Anleger ggf. Schadenersatz auch in Form der Rückabwicklung des Vertrages verlangen können.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, §§ 611, 675; KredWG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 32 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 03.11.2015; Aktenzeichen 9 O 149/15)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 03.11.2015, Az. 9 O 149/15, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

(1.) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.963,24 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.02.2015 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen die S... M... G... AG in Konkursliquidation aufgrund des Vertrages über den Ankauf der Lebensversicherung bei der A... ... Lebensversicherung a.G. mit der Policennummer 0...

(2.) Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte im Hinblick auf den Antrag Ziff. 1 im Annahmeverzug befindet.

(3.) Die weitergehende Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert: 40.963,24 EUR

 

Gründe

A. I. Der Kläger macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung und aus Delikt im Zusammenhang mit einer Neuordnung bisheriger Vermögensanlagen geltend.

Die S... M... AG, vormals S... F... AG (im Folgenden: S... AG), ist eine inzwischen in Konkursliquidation befindliche S... Aktiengesellschaft.

Mit dem Geschäftsmodel "C... S..." (GA 27 d.A.) bot die S... AG Anlegern an, deren Kapitallebensversicherungen sowie Bausparverträge und Depots zu kaufen "zu einem fest vereinbarten Preis" und kündigte an, der Anleger erhalte "bis zum Doppelten des Rückkaufwertes". Es wurde eine "sichere und einfache Abwicklung durch einen Treuhänder" versprochen.

Im Anschluss an ein Beratungsgespräch zwischen dem Vermögensberater M... C... und dem Kläger entschied sich letzterer am 21.11.2009 für ein "C... S..."-Anlagegeschäft mit der S... AG, bei dem sein Lebensversicherungsvertrag bei der A... ... Versicherung aufgelöst und der daraus erzielte Erlös in das Geschäftsmodell der S... AG investiert werden sollte. Zu diesem Zweck unterzeichnete er nach entsprechender Beratung durch den Vermögensberater C... einen vorformulierten Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Beklagten als "Treuhänder" (im Folgenden: "GbV", GA 32), die "Anlage 1 zum Angebot auf Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags" (GA 33), in der der zu kündigende Lebensversicherungsvertrag näher bezeichnet wurde sowie eine "Anlage 2 zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags" (GA 34), in der der Kläger ein Angebot zum Abschluss eines "Kaufvertrags" für den Versicherungsvertrag mit der S... AG abgab.

Der Geschäftsbesorgungsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

"Geschäftsbesorgungsvertrag

Zwischen T... Ti... ...

und

Rechtsanwalt M... Ma...

...

- nachstehend Treuhänder genannt -

§ 1 Präambel

Der Kunde ist Inhaber der in der Anlage 1 zu diesem Vertrag näher bezeichneten Vermögensanlagen. Er beabsichtigt eine Neuordnung seiner bisherigen Investitionen vorzuneh...

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