Leitsatz (amtlich)

Die wirksame Erteilung der Schlusszahlungshinweise gem. § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B setzt nicht zwingend voraus dass die nach dieser Bestimmung vom Auftraggeber zu erteilenden Hinweise und der zur Bezahlung übersandte Scheck im Zeitpunkt der Übersendung getrennt sind. Die Schutz- und Warnfunktion von § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ist auch dann erfüllt, wenn der Scheck mit den Hinweisen dergestalt verbunden, dass der Scheck mittels einer Perforation aus dem Schreiben mit den Hinweisen herauszutrennen ist.

 

Normenkette

VOB/B § 16 Abs. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG R. (Urteil vom 20.08.2013; Aktenzeichen 5 O 23/12 KfH)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG R. vom 20.8.2013 - Az. 5 O 23/12 KfH - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass Ziff. 4 des Tenors der angefochtenen Entscheidung wie folgt neu gefasst wird:

Der Kläger/Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte/Widerklägerin Avalkosten i.H.v. 0,5 % p. a. aus 37.699,44 EUR ab 4.11.2012 bis zur Rückgabe der Bürgschaft Nr. 20022190 der V.-Bank zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurück gewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

4. Das Berufungsurteil und das Urteil des LG R. vom 20.8.2013 - Az. 5 O 23/12 KfH - sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus den Urteilen zu vollstreckenden Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis zu 45.000 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der H.-GmbH Honoraransprüche der Insolvenzschuldnerin aus einem zwischen ihr und der Beklagten als Auftraggeberin geschlossenen Bauvertrag über Leistungen am Parkdeck der T-Klinik in K. geltend.

Der Kläger machte 35.052,22 EUR geltend, die Beklagte begehrt widerklagend die Feststellung, dass für die von ihr als Bauhandwerkersicherung gem. § 648a BGB geleistete Bürgschaft keine zu sichernde Forderung mehr bestehe, Herausgabe der Bürgschaftsurkunde, Avalkosten für die geleistete Bürgschaft und vorgerichtliche Anwaltskosten.

Bezüglich des Sach- und Streitstandes 1. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

A. Das LG wies die Klage ab und gab der Widerklage mit Ausnahme der eingeklagten Anwaltskosten statt.

Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche seien gem. § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ausgeschlossen, da die Beklagte mit Schreiben vom 22.12.2011 die Schlussrechnung der Insolvenzschuldnerin abgerechnet und auf die Schlusszahlung sowie die Ausschlusswirkung hingewiesen habe. Die Schlusszahlungshinweise seien wirksam erteilt worden, da sie nicht auf dem übersandten Scheck, sondern auf einem von diesem abzutrennenden Schreiben enthalten gewesen seien. Dass Scheck und Hinweise im Zeitpunkt der Übersendung an die Insolvenzschuldnerin verbunden gewesen seien, stehe dem Eintritt der Ausschlusswirkung gem. § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht entgegen.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 24.3.2014 die Widerklage zurückgenommen, soweit Avalkosten für die Zeit vor dem 4.11.2012 geltend gemacht wurden. Der Kläger hat der teilweisen Rücknahme der Widerklage zugestimmt.

B. Die Berufung des Klägers richtet sich gegen die Abweisung der Klage und die Stattgabe der Widerklage. Der Kläger ist der Ansicht, dass die nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B zu erteilenden Schlusszahlungshinweise getrennt von der Schlusszahlung erfolgen müssten. Die Hinweise seien nicht wirksam erteilt worden, da der übersandte Scheck und die Hinweise im Zeitpunkt der Übersendung verbunden gewesen seien. Die Annahme der Schlusszahlung liege in der Entgegennahme des Schecks, weshalb Scheck und Hinweise in diesem Zeitpunkt getrennt sein müssten.

Der Kläger beantragt:

1. Unter Abänderung des Urteils des LG R. vom 20.8.2013 - 5 O 23/12 KfH, wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 35.052,22 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

C. Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des LG R. vom 20.8.2013 wird aufrechterhalten.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Schlusszahlungshinweise seien wirksam erteilt worden, da der Scheck vor Einlösung vom Schreiben getrennt werden müsse. Die Verbindung von Hinweisen und Zahlungsträger im Zeitpunkt der Übersendung stehe dem nicht entgegen. Dabei müsse auch das Interesse der Beklagten, den Zugang der Hinweise nachweisen zu können, berücksichtigt werden.

Sie ist der Ansicht, dass der Streitwert hinsichtlich der auf Herausgabe der Bürgschaft gerichteten Widerklage mit dem vollen Nennwert der Bürgschaft zu bemessen sei. Im Gegensatz zu früher sei es heute nicht mehr angemessen, den Streitwert für eine auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde gerichtete Klage lediglich mit einem Bruchteil von 5 bis 15 % des Nennwerts zu bemessen. Denn die Banken würden die Baubranche heutzutage als Risikob...

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