Leitsatz (amtlich)

1. Der Patient, der ein Krankenhaus besucht, in dem - ohne dass er das weiß - unter einem Dach eine Privatklinik und ein Plankrankenhaus betrieben werden, ist von der Behandlungsseite wirtschaftlich aufzuklären, wenn sie Anhaltspunkte dafür hat, dass der private Krankenversicherer die Behandlungskosten in der Privatklinik nur in der Höhe übernimmt, wie sie im Plankrankenhaus angefallen wären (vgl. BGH, Beschl. v. 21.4.2011 - III ZR 114/10).

2. Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen eines Schadens, wenn der Krankenversicherer die Behandlungskosten nicht vollständig erstattet, aber dem daraufhin auf Zahlung verklagten Patienten zusagt, sie im Falle der Verurteilung im Innenverhältnis zu ersetzen.

 

Normenkette

BGB § 280; KHG § 17

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 11.05.2012; Aktenzeichen 15 O 329/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 11.5.2012 - 15 O 329/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 13.323,44 EUR.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf restliche Vergütung für die stationäre Behandlung des Beklagten vom 20.2. bis 3.3.2007 in der von ihr getragenen

Zwar hat die Klägerin insoweit eine Forderung über 20.642,05 EUR aus dem Behandlungsvertrag (i.V.m. den allgemeinen Vertragsbedingungen und der Preisliste B) geltend gemacht, von der der private Krankenversicherer des Beklagten nur 7.318,61 EUR erstattet hat. Jedoch kann der Beklagte dem streitgegenständlichen Anspruch auf Zahlung des Restbetrags von 13.323,44 EUR einen gleich hohen Schadensersatzanspruch entgegenhalten (vgl. BGH NJW 2000, 3429, juris Rz. 33), weil die Klägerin ihre Pflicht zur sog. wirtschaftlichen Aufklärung verletzt hat.

Bei der Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung handelt es sich um eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag. Sie soll den Patienten vor finanziellen Überraschungen schützen (Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., Rz. 328b; Laufs in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl., § 61 Rz. 17). Zwar obliegt es der Behandlungsseite weder, den Patienten umfassend wirtschaftlich zu beraten, noch muss sie sich etwa Kenntnisse über den Inhalt und Umfang seines privaten Versicherungsschutzes verschaffen. Jedoch gehört es zu ihren Pflichten, den Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren, soweit sie über bessere Kenntnisse und ein besseres Wissen verfügt (BGH NJW 2000, 3429, juris Rz. 33; OLGReport Stuttgart 2003, 91, juris Rz. 58). Das ist etwa dann der Fall, wenn die Behandlungsseite positive Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme durch den Krankenversicherer hat, oder wenn sich aus den Umständen zumindest hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten nicht gesichert ist (Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., Rz. 328a; Middendorf in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, § 280 BGB Rz. 29; ebenso der künftige § 630c Abs. 3 BGB, vgl. BT-Drucks. 17/10488, Seite 22). Auch eine der Behandlungsseite bekannte Nichtanerkennungspraxis der Krankenversicherer kann - ob berechtigt oder nicht - eine entsprechende Aufklärungspflicht begründen (Kaiser in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, § 12 Rz. 225).

1. Nach diesen Grundsätzen ist kaum zweifelhaft, dass der Klägerin jedenfalls ab Mitte 2008 eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht oblegen hätte. Zu diesem Zeitpunkt hatten nämlich eine Reihe von Krankenversicherern die vollständige Erstattung der Behandlungskosten in der verweigert (Bl. 341; vgl. LGU 8, 12); die Klägerin hatte also positive Kenntnis von einer speziell ihre Klinik betreffenden Nichtanerkennungspraxis der Krankenversicherer.

2. Jedoch ist entgegen der Auffassung der Berufung keineswegs "unstreitig", dass der Klägerin im Februar 2007 "die Problematik noch gar nicht bekannt war" (Bl. 412, 425). Das LG hat vielmehr festgestellt, dass die Klägerin schon zum Zeitpunkt der Behandlung des Beklagten zumindest hinreichende Anhaltspunkte dafür hatte, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten nicht gesichert ist (LGU 12). Der pauschale Vorwurf der Berufung, für diese Feststellung fehle es an einer (rechtlich hinreichenden) Beweiswürdigung (Bl. 412), vermag nicht zu überzeugen, denn mehrere Umstände sprechen für die Richtigkeit dieser Feststellung, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

a) Es liegt fern, dass die Klägerin erst Mitte 2008 von der Problematik überrascht worden sein soll. Insbesondere die privaten Krankenversicherer hatten bereits seit längerem allgemeine Bedenken gegen den Betrieb einer Privatklinik und eines Plankrankenhauses unter einem Dach erhoben (Nicolai, Ausgründungen und Neugründungen...

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