Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung einer Frist zur Inventarerrichtung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Erbe, der die Inventarfrist versäumt, haftet für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschrankt auch dann, wenn zuvor die Eröffnung des Nachlaßkonkurses mangels Masse abgelehnt worden ist.

 

Normenkette

BGB §§ 1994, 1990

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Beschluss vom 24.03.1994; Aktenzeichen 1 T 51/94)

 

Tenor

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten 2 wird der Beschluß des Landgerichts Ravensburg vom 24.03.1994

aufgehoben.

2. Die Erstbeschwerde der Beteiligten 1 gegen den Beschluß des Notariats – Nachlaßgerichts – Meckenbeuren vom 26.01.1994 wird

zurückgewiesen.

3. Die Bestimmung einer neuen Inventarfrist wird dem Nachlaßgericht übertragen.

4. Die Beteiligte 1 hat die Gerichtskosten der Erstbeschwerde zu tragen und die der Beteiligten 2 im Verfahren der Erstbeschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Wert der Erstbeschwerde und der weiteren Beschwerde je 1.000,00 DM.

 

Gründe

Mit Beschluß vom 26.01.1994 hat das Nachlaßgericht der Beteiligten 1 als Erbin auf Antrag der Beteiligten 2 als Nachlaßgläubigerin eine Frist zur Errichtung eines Inventars über den Nachlaß des Erblassers bis zum 15.03.1994 gesetzt.

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten 1 hat das Landgericht mit Beschluß vom 24.03.1994 die Entscheidung des Nachlaßgerichts abgeändert und den Antrag der Beteiligten 2 auf Bestimmung einer Frist zur Inventarerrichtung abgewiesen.

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten 2 gegen diesen Beschluß ist zulässig und begründet (§§ 27, 29, 77 FGG, 550 ff. ZPO).

Das Landgericht hat ein Rechtsschutzinteresse der Beteiligten 2 verneint. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt:

Einerseits seien keine anderen Angaben zu erwarten als die, die die Beteiligte 1 bereits in dem Konkursverfahren gemacht habe, dessen Eröffnung durch Beschluß des Amtsgerichts Tettnang vom 11.12.1992 mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse abgelehnt worden ist. Andererseits könne die Errichtung des Inventarverzeichnisses nicht erzwungen werden.

Es trete nach Fristablauf lediglich die unbeschränkte Erbenhaftung ein. Eine solche könne die Beteiligte 1 jedoch vorliegend nicht treffen. Insoweit stehe nach Ablehnung der Eröffnung des Nachlaßkonkurses fest, daß die Alleinerbin die Befriedigung eines Nachlaßgläubigers gemäß § 1990 BGB insoweit verweigern dürfe, als der Nachlaß nicht ausreiche.

Diese zweite Annahme erweist sich als unrichtig. Nach § 1994 Abs. 1 S. 2 BGB haftet der Erbe nach dem Ablauf der Inventarfrist unbeschränkt, wenn nicht vorher das Inventar errichtet wird. Gemäß § 2013 Abs. 1 S. 1 BGB findet bei unbeschränkter Haftung u. a. die Vorschrift des § 1990 BGB keine Anwendung. Daß dies auch gilt, wenn zuerst die Konkurseröffnung abgelehnt und erst später eine Inventarfrist gesetzt wurde, ergibt sich aus dem Umkehrschluß zu der in § 2013 Abs. 1 S. 2 getroffenen Regelung, mit der – als Ausnahme – bestimmt wird, daß eine nach § 1973 oder § 1974 BGB bereits eingetretene Haftungsbeschränkung bestehen bleibt, und aus der in § 2000 S. 3 BGB enthaltenen Bestimmung, wonach es – nur – dann, wenn der Nachlaßkonkurs durch Verteilung der Masse oder durch Zwangsvergleich beendigt ist, zur Abwendung der unbeschränkten Haftung der Inventarerrichtung nicht bedarf (vgl. u. a. MünchKomm/Siegmann, 2. Aufl., RN 4, RGRK/Johannsen, 12. Aufl., RN 4, und Staudinger/Marotzke, 12. Aufl., RN 6, je zu § 2000 BGB).

Bei dieser Sachlage hat das Landgericht ein Rechtschutzbedürfnis der Beteiligten 2 an der Setzung einer Inventarfrist zu Unrecht verneint. Da seine Entscheidung hierauf beruht, ist sie aufzuheben; da weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind, hat der Senat in der Sache abschließend zu entscheiden (§§ 564, 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO analog). Dies führt zur Zurückweisung der Erstbeschwerde der Beteiligten 1, da das Nachlaßgericht zu Recht davon ausgegangen ist, daß die Voraussetzungen für die Bestimmung einer Inventarfrist gegeben sind. Nachdem die ursprünglich festgelegte Frist während des Beschwerdeverfahrens verstrichen ist, wird die Bestimmung einer neuen Frist dem Nachlaßgericht übertragen.

Nach § 131 Abs. 1 KostO hat die Beteiligte 1 die Gerichtskosten der zurückgewiesenen Erstbeschwerde zu tragen und nach § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG der Beteiligten 2 die in diesem Rechtszug angefallenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Verfahren der weiteren Beschwerde sind keine Gerichtskosten angefallen. Die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten – § 13 a Abs. I S. 1 FGG – erscheint im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen nicht billig.

 

Unterschriften

Schnaithmann, Schmucker, Dr. Hungerbühler

 

Fundstellen

Haufe-Index 943875

NJW 1995, 1227

FamRZ 1995, 57

FGPrax 1995, 68

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