Leitsatz (amtlich)

Zustellungen im Rahmen von Überprüfunges- und Aufhebungsverfahren nach §§ 120 Abs. 4 und 124 ZPO sind an den Prozessbevollmächtigten vorzunehmen, wenn dieser die Partei bereits im PKH-Bewilligungsverfahren vertreten hat (Änderung der Senatsrechtsprechung; Anschluss an BGH MDR 2011, 183).

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4, §§ 124, 172

 

Verfahrensgang

AG Tuttlingen (Beschluss vom 08.02.2011; Aktenzeichen 3 F 565/09)

 

Tenor

1. Die Sache wird unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses der Rechtspflegerin beim AG Tuttlingen - Familiengericht - vom 8.2.2011 (3 F 565/09) an das AG Tuttlingen zurückgewiesen.

2. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. In dem vor dem 1.9.2009 eingeleiteten Hauptsacheverfahren beantragte der Antragsteller die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für den gemeinsamen Sohn ... auf sich alleine. Die Antragsgegnerin, bereits damals vertreten durch Rechtsanwalt ..., trat diesem Antrag entgegen. Rechtsanwalt ... beantragte auch, der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen, was mit Beschluss des Familienrichters beim AG Tuttlingen vom 18.9.2009 auch geschah. Das Verfahren endete mit Rücknahme des Antrags durch den Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vom 16.9.2009. Mit Beschluss des Familienrichters vom 15.10.2009 wurden dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 27.4.2010 wurde die zunächst ratenfrei bewilligte Prozesskostenhilfe für die Antragsgegnerin dahingehend abgeändert, dass diese ab dem 20.5.2010 Monatsraten i.H.v. 115 EUR zu zahlen hat. Dieser Zahlungspflicht kam die Antragsgegnerin in der Folgezeit nicht nach. Mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 29.11.2010 hob diese die der Antragsgegnerin bewilligten Prozesskostenhilfe auf. Dieser Beschluss wurde an die Antragsgegnerin persönlich unter deren Wohnanschrift am 2.12.2010 zugestellt. Gegen diese Entscheidung legte die Antragsgegnerin mit Anwaltsschriftsatz von Rechtsanwalt ... vom 4.1.2011, eingegangen beim AG Tuttlingen am selben Tage, sofortige Beschwerde ein. Die Rechtspflegerin half mit Beschluss vom 8.2.2011 unter Hinweis auf den verspäteten Eingang der sofortigen Beschwerde dieser nicht ab und legte die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vor.

II. Eine Entscheidung des Senats in der Sache über die von der Antragsgegnerin eingelegte sofortige Beschwerde ist derzeit nicht angezeigt. Vielmehr ist die Sache an das AG - Familiengericht Tuttlingen - zurückzuverweisen zur Durchführung einer Prüfung in der Sache im Rahmen des Abhilfeverfahrens nach § 572 Abs. 1 ZPO.

Eine solche ist bislang unterblieben, weil die Rechtspflegerin die sofortige Beschwerde wegen Versäumung der Monatsfrist nach § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO als unzulässig behandelte. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

Wie der BGH in seinem Beschluss vom 8.12.2010 (XII ZB 38/09, MDR 2011, 183) entschieden hat, sind auch nach dem formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens Zustellungen im Rahmen des PKH-Überprüfungsverfahrens nach §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO jedenfalls dann gem. § 172 Abs. 2 ZPO an den Prozessbevollmächtigten der Partei vorzunehmen, wenn dieser die Partei im PKH-Bewilligungsverfahren vertreten hat. Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung folgt der Senat, auch wenn er bisher - wie in der vorliegenden Familiensache (Beschl. v. 31.8.2010 - 8 WF 145/10) - der überwiegenden Rechtsprechung und Kommentarliteratur folgend die gegenteilige Ansicht vertreten hat. Insoweit wird auf den genannten Senatsbeschluss Bezug genommen.

Da eine Zustellung im vorliegenden Fall nur an die Antragsgegnerin persönlich, nicht jedoch an ihren Prozessbevollmächtigten erfolgt ist, hat die Beschwerdefrist nicht zu laufen begonnen.

Im Rahmen des Abhilfeverfahrens erscheint es angezeigt, zur Vorbereitung der nunmehr gebotenen Überprüfung in der Sache dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin eine Frist zur Vorlage der von ihm angekündigten Beschwerdebegründung zu setzen.

Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu erfolgen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2648150

Die Justiz 2011, 135

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