Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Rechtspflegererinnerung bei Zulässigkeit einer Anschlussbeschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

Die prozessuale Möglichkeit des Beschwerdegegners, sich einer sofortigen Beschwerde des Be-schwerdeführers anzuschließen, schließt die Rechtspflegerinnerung des Beschwerdegegners gegen den gleichen Beschluss aus. Über beide Rechtsbehelfe ist einheitlich zu entscheiden.

 

Normenkette

RPflG § 11 Abs. 1-2; ZPO § 567 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Reutlingen (Beschluss vom 21.04.2020; Aktenzeichen 1 F 774/16)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Reutlingen vom 21.04.2020 (1 F 774/16) wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten einheitlichen Entscheidung über die Abhilfe der Rechtsmittel des Antragstellers und des Antragsgegners gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.02.2020 an das Amtsgericht Reutlingen - Familiengericht - zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Mit Beschluss vom 28.02.2020 hat das Amtsgericht Reutlingen - Familiengericht - die nach dem rechtswirksamen Beschluss des Amtsgerichts Reutlingen vom 11.01.2019 von dem Antragsteller an den Antragsgegner zu erstattenden Kosten auf 126,09 EUR festgesetzt.

Gegen diese Entscheidung haben der Antragsteller Erinnerung, der Antragsgegner sofortige Beschwerde jeweils form- und fristgerecht eingelegt. Mit Beschluss vom 21.04.2020 hat der Rechtspfleger der sofortigen Beschwerde des Antragsgegners nicht abgeholfen und die Entscheidung über die Erinnerung des Antragstellers bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts zurückgestellt.

II. Der Beschluss des Rechtspflegers vom 21.04.2020 war aufzuheben, da dieser lediglich über die Nichtabhilfe der sofortigen Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss vom 28.02.2020 entschieden und die Entscheidung über die Erinnerung des Antragstellers gegen denselben Beschluss zurückgestellt hat. Über Rechtsbehelfe gegen die gleiche Entscheidung ist grundsätzlich einheitlich zu entscheiden, weil ansonsten einander widersprechende Entscheidungen nicht auszuschließen sind (OLG Koblenz, Beschluss vom 13. März 2003 - 14 W 146/03). Dies gilt folglich auch für die Entscheidung über die Abhilfe der Rechtsbehelfe durch das Ausgangsgericht.

Eine getrennte Entscheidung ist vorliegend nicht etwa deshalb notwendig, weil der Antragsteller Erinnerung gegen den Beschluss vom 28.02.2020 eingelegt hat, über die das Ausgangsgericht zu entscheiden hätte (§ 11 Abs. 2 RpflG), während die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Beschwerde beim Beschwerdegericht liegt. Rechtsbehelfe sind grundsätzlich in ein zulässiges Begehren auszulegen, eine unrichtige Bezeichnung ist unschädlich, solange der Wille zum Ausdruck gebracht wird, die angefochtene Entscheidung möge in einem zulässigen Rechtsbehelfsverfahren auf ihre Richtigkeit geprüft werden (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 569 ZPO, Rn. 7a m.w.N.).

Eine zulässige Erinnerung setzt voraus, dass gegen die angegriffene Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht gegeben ist (§ 11 Abs. 2 Satz 1 RpflG). Dies wäre vorliegend für den Rechtsbehelf des Antragstellers allein der Fall, da der nach § 567 Abs. 2 ZPO erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht ist. Nach Einlegung der Beschwerde des Antragsgegners ist der Rechtsbehelf des Antragstellers aber als Anschlussbeschwerde gemäß § 567 Abs. 3 ZPO zulässig, denn für deren Zulässigkeit ist das Erreichen des Beschwerdewertes nicht erforderlich (KG NJW-RR 87, 134; Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 567 ZPO, Rn. 58). Zwar wird die Anschließung an ein Rechtsmittel nicht als eigenes Rechtsmittel, sondern nur als ein dem Rechtsmittelgegner eingeräumtes Recht, selbst Anträge zu stellen und damit den Umfang der Verhandlung und Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bestimmen, angesehen (KG a.a.O.). Allein diese prozessuale Möglichkeit des Rechtsmittelgegners, das Rechtsmittelgericht mit seinen Einwendungen gegen die Ausgangsentscheidung zu befassen, führt zur Unzulässigkeit einer Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RpflG.

Der Rechtsbehelf des Antragstellers ist daher als Anschlussbeschwerde auszulegen, über dessen Abhilfe vom Rechtspfleger zusammen mit der Abhilfe der sofortigen Beschwerde des Antragsgegners zu entscheiden ist. Im Falle der Nichtabhilfe wird das Beschwerdegericht anschließend über beide Rechtsbehelfe einheitlich entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13933047

MDR 2020, 1209

AGS 2020, 593

Die Justiz 2020, 297

NJW-Spezial 2020, 701

NZFam 2020, 981

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