Leitsatz (amtlich)

Vertritt der bei der beklagten Holding angestellte Syndikusanwalt eine mitbeklagte 100%ige Tochtergesellschaft als Prozessbevollmächtigter vor Gericht, liegt darin ein Verstoß gegen § 46 BRAO.

Trotz Wirksamkeit der von diesem Anwalt vorgenommenen Prozesshandlungen erwächst der obsiegenden Tochtergesellschaft kein Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 11 KfH 0127/96)

 

Gründe

I.

Die (Verfügungs-) Klägerin, die ihren Gewerbebetrieb für Textilienherstellung eingestellt hatte, hat ... in einem mit der (Verfügungs-) Beklagten Ziffer 1 geschlossenen Kaufvertrag ihr Betriebsvermögen in der Weise veräußert, dass dieses in das Eigentum der - von der Beklagten Ziffer 1 noch zu gründenden - (Verfügungs-) Beklagten Ziffer 2 übergehen sollte; außerdem wurde zwischen der Klägerin und der Beklagten Ziffer 1 ein Pachtvertrag bezüglich des im Eigentum der Klägerin verbleibenden Fabrikgrundstücks abgeschlossen. Die Beklagte Ziff. 1 in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft hat als Unternehmensgegestand "Industrie- und Immoblienbeteiligungen", während die - alsbald gegründete - Beklagte Ziff. 2 in der Rechtsform einer GmbH & Co KG als Textilmanufaktur firmiert.

Wegen Zusammenfassung der Produktion an einem anderen Standort kündigten ... die beiden Beklagten (später) das Pachtverhältnis. Während des nachfolgenden Auszugs kam es unter den Parteien zum Streit darüber, welche Gegenstände als Bestandteile der Gebäude im Eigentum der Verpächterin zu verbleiben hatten und welche Gegenstände als Teile des Betriebsvermögens mitveräußert waren.

Die Klägerin beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung, wonach es den Antragsgegnern (= Beklagten) zu untersagen sei, näher bezeichnete Einrichtungen und Gegenstände aus dem Fabrikgebäude auszubauen bzw. zu entfernen. Beide Antragsgegnerinnen - die dem bereits erwarteten Verfügungsantrag mit zwei Schutzschriften entgegengetreten waren - ließen sich durch zwei verschiedene Rechtsanwälte vertreten. Das Landgericht erließ ... ein Urteil, in dem es dem Verfügungsantrag wegen einzelner Einrichtungen bzw. Gegenstände stattgab und im übrigen bei Küstenteilung den Antrag zurückwies. ...

Aufgrund dieses ... Urteils ergingen ... zwei Kostenfestsetzungsbeschlüsse sowohl zugunsten der Beklagten Ziffer 1 als auch der Beklagten Ziffer 2 ... wobei die Rechtspflegerin die Kosten beider Anwälte in voller Höhe für erstattungsfähig hielt.

Gegen den 2. Kostenfestsetzungsbeschluss wandte sich die Klägerin im Wege der Erinnerung ... mit dem Vorbringen, der für die Beklagte Ziffer 2 angetretene Rechtsanwalt sei Syndikusanwalt bei der Beklagten Ziffer 1; als angestellter Anwalt bilde er deren Rechtsabteilung und berate auch deren 100%ige Tochter, weshalb er sie im vorliegenden Rechtsstreit nicht habe vertreten dürfen; deshalb sei insoweit ein Kostenerstattungsanspruch nicht entstanden. ...

II.

Die infolge Nichtabhilfe durch Rechtspflegerin und Richter als sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ...zugunsten der Beklagten Ziff. 2 hat Erfolg.

1.

Aus dem Vortag der Verfahrensbevollmächtigten beider Seiten ergibt sich mit der erforderlichen Eindeutigkeit, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Ziff. 2 als Syndikusanwalt bei der Beklagten Ziff. 1 tätig ist; seine Kanzleianschrift ist identisch mit der Geschäftsanschrift der Beklagten Ziff. 1. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 BRAO sind im Verhältnis zur Beklagten Ziff. 1 unbestrittenermaßen erfüllt.

Die Folge einer gegen § 46 BRAO verstoßenden Anwaltstätigkeit ist - ebenso wie beim Verstoß gegen andere Tätigkeitsverbote, etwa nach § 45 BRAO oder gem. RBerG - einerseits die Nichtigkeit des zugrundeliegenden Geschäftsbesorgungsvertrags, andererseits die Wirksamkeit der - gleichwohl vorgenommenen - Prozesshandlungen (BGH NJW 1962, 2010; NJW 1993.1926; OLG Hamm (8. ZS) NJW-RR 89, 442 = MDR 89, 266 = DNotZ 89, 634 m Anm. Feurich DNotZ 89, 596.602 ff; (15. ZS) NJW 92, 1174 (teilw. abweich.: 8. ZS. DNotZ 89, 632); Feurich/Braun. 3. Aufl. 1995, Rn 27; Henssler/Prütting, 1997, Rn 31 f, je zu § 46 BRAO; Kleine-Cosack, 2. Aufl. 1996, Rn 20 zu § 46, Rn 46 zu § 45 BRAGO).

Die Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrags führt zum Verlust des Vergütungsanspruchs des Anwalts und damit auch zum Verlust eines entsprechenden Erstattungsanspruchs gegen den Prozessgegner (bes. OLG Köln AnwBl 1980, 70 - zu § 45 BRAO).

2.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Ziff. 2 steht unstreitig zu dieser in keinem Anstellungsverhältnis, sondern nur zur Beklagten Ziff. 1, die er im Verfahren nicht vertreten hat. Er macht geltend, wegen der Personenverschiedenheit der beiden Unternehmen greife § 46 BRAO hier nicht ein; eine Erstreckung des Tätigkeitsverbots auf verbundene Unternehmen sei - jedenfalls seit Unwirksamkeit der anwaltlichen Standesrichtlinien - rechtlich unzulässig und letztlich verfassungswidrig.

Dieser Einwand greift jedoch bei der hier gegebenen Fallkonstellation ...

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