Leitsatz (amtlich)

Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist nicht gerechtfertigt, wenn hinreichend deutlich absehbar ist, dass das Verfahren nicht mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung weiterbetrieben werden kann, auch wenn bisher keine Verfahrensverzögerungen eingetreten sind (Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 19.09.2007, 2 BvR 1850/07).

 

Normenkette

StPO § 121 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Aktenzeichen 6 KLs 44 Js 15975/10 JK)

 

Tenor

Der Haftbefehl des Landgerichts - 6. Große Jugendkammer - Ulm vom 15. März 2011 wird

a u f g e h o b e n.

Alle drei Angeschuldigten sind freizulassen.

 

Gründe

Die Angeschuldigten K. und D. befinden sich seit dem 8. Oktober 2010 ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Ulm vom 8. Oktober 2010, seit dem 28. März 2011 aufgrund des neu gefassten und ergänzten Haftbefehls des inzwischen mit der Sache befassten Landgerichts - Große Jugendkammer - Ulm vom 15. März 2011. Dieser Haftbefehl richtet sich außerdem gegen den Angeschuldigten St., der sich zuvor aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Ulm vom 9. Oktober 2010 seit diesem Tage ununterbrochen in Untersuchungshaft befand.

In dem Haftbefehl des Landgerichts Ulm, der sich - genau wie die Haftbefehle des Amtsgerichts Ulm - auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO) stützt, werden den Angeschuldigten im Wesentlichen mehrere Verbrechen des schweren Bandendiebstahls nach § 244a StGB, den Angeschuldigten K. und St. auch zwei besonders schwere Fälle des Diebstahls nach §§ 242, 243 StGB vorgeworfen. Darüber hinaus liegt dem Angeschuldigten K. ein Verbrechen des versuchten Mordes zur Last. Außerdem werden ihm - genau wie den anderen Angeschuldigten - Vergehen vorgeworfen, die nicht zu den Katalogtaten des § 112a Abs. 1 StPO gehören.

Die nach §§ 121 Abs. 1, 122 StPO vorzunehmende Haftprüfung ergibt, dass der Haftbefehl aufzuheben ist und die Angeschuldigten freizulassen sind. Denn es ist absehbar, dass die Kammer das Verfahren nicht mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung weiterbetreiben kann.

1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Untersuchungshaft nach § 112 StPO liegen vor.

a) Die Angeschuldigten sind der Taten, die ihnen im Haftbefehl des Landgerichts vorgeworfen werden, dringend verdächtig. Dies ergibt sich teilweise bereits aus der Einlassung des Angeschuldigten D., insbesondere aber dem Geständnis des Angeschuldigten K., der nahezu sämtliche der ihm zur Last liegenden Taten eingeräumt hat.

Im Übrigen folgt der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Diebstahlsvorwürfe aus der Auswertung der erhobenen Verkaufsbelege, den Erkenntnissen aus Observation und Telekommunikationsüberwachung, der Analyse der Verbindungsdaten von Mobiltelefonen sowie der Beschlagnahme von Diebesgut und Tatwerkzeugen.

Die gemeinschaftliche Tatbegehung stellt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch als bandenmäßiges Zusammenwirken dar. Dafür spricht insbesondere das organisierte Vorgehen der Angeschuldigten unter Führung des Angeschuldigten K., das durch den Einsatz immer größerer Fahrzeuge - zuletzt eines VW-Busses - zum Transport des Diebesguts, stetiger Vergrößerung der Lagerkapazitäten und der Rationalisierung durch Einsatz von Kabelabisoliermaschinen gekennzeichnet ist.

Hinsichtlich des allein dem Angeschuldigten K. zur Last liegenden Verbrechens des versuchten Mordes beruht der dringende Tatverdacht auf den Angaben des Geschädigten R. H. und des Zeugen J. M. sowie den Ausführungen des Rechtsmediziners Dr. F. J. R.

b) Bei allen Angeschuldigten besteht der Haftgrund der Wiederholungsgefahr, soweit sie des schweren Bandendiebstahls oder des Diebstahls in einem besonders schweren Fall dringend verdächtig sind. Die serienmäßige Begehung dieser Taten und der Umstand, dass die Angeschuldigten ihre Beutezüge in Kenntnis der polizeilichen Ermittlungen unvermindert weitergeführt haben, lassen eine so starke innere Neigung der Angeschuldigten zu einschlägigen Taten erkennen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit zu besorgen ist, sie werden die Serie gleichartiger Straftaten nach ihrer Haftentlassung fortsetzen. So fand der überwiegende Teil der angeklagten Beschaffungsfahrten, die jeweils zu erheblichen Schäden bis zu rund 6.000 EUR geführt haben und derentwegen den Angeschuldigten mehrjährige Freiheitsstrafen drohen, nach der ersten polizeilichen Kontrolle der Angeklagten K. und St. am 23. August 2010 statt, die zur ersten Beschlagnahme von Diebesgut führte. Auch die vorläufige Festnahme des Angeschuldigten K. am 30. August 2010 und die weitere Beschlagnahme von über fünf Tonnen Buntmetall nebst Tatwerkzeugs vermochte die Angeschuldigten nicht von neuen Taten abzuhalten, weshalb auch die beschlagnahmte Kabelabisoliermaschine bereits am 29. September 2010 durch ein neues Gerät ersetzt wurde. Weniger einschneidende Maßnahmen als die Untersuchungshaft reichen zur Abwendung der drohenden Gefahr dabei nicht aus.

Wegen des gegen den Angeschuldigten K. bestehenden dringenden Tatverdachts des versuchter Mordes ...

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