Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 14.07.1999; Aktenzeichen 21 OH 12/99)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 14. Juli 1999 im Verfahren – 21 OH 12/99 – aufgehoben und dem Landgericht aufgegeben, das selbständige Beweisverfahren nach § 485 ff ZPO durchzuführen.

 

Tatbestand

I.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist nach § 567 Abs. 1 ZPO als einfache Beschwerde zulässig, da sie sich gegen die Zurückweisung ihres das Verfahren betreffenden Gesuches um Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens richtet (Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO. 53. Auflage. § 490, RdNr. 3 mit Rechtsprechungshinweisen).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Zwar hat das Landgericht zu Recht festgestellt, daß das Beweissicherungsverfahren nicht nach § 485 Abs. 1 ZPO zulässig ist, weil das Beweismittel weder verloren gehen noch seine Benutzung erschwert werden kann.

Zu Recht nimmt das Landgericht auch an, daß die Zulässigkeit der Durchführung eines selbständigen Beweissicherungsverfahren stets ein rechtliches Interesse des Antragstellers nach § 485 Abs. 2 ZPO verlangt. Es besteht jedoch Einigkeit, daß ein solches rechtliches Interesse an der Durchführung eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens nicht nur dann besteht, wenn nach Satz 2 des Absatz 2 die zu treffenden Feststellungen der Vermeidung eines Rechtstreits dienen können, sondern daß es sich insoweit nur um einen Beispielsfall des anzunehmenden rechtlichen Interesses handelt. Es wird insoweit auf die von der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift genannten Gerichtsentscheidungen Bezug genommen und außerdem auf Herget in Zöller, ZPO, 21. Auflage. § 485. RdNr. 7 a und Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO. 53. Auflage. § 485. RdNr. 8.

Der Senat ist der Ansicht, daß das rechtliche Interesse im Sinne des Absatzes 2 des § 485 ZPO weiter zu fassen ist als das rechtliche Interesse im Sinne des § 256 ZPO als Zulässigkeitsvoraussetzung für ein negatives Feststellungsverfahren. Deshalb trifft die vom Landgericht aufgeführte Begründung, die reine Streitverkündung führe für den Streitverkündeten noch nicht zu einem rechtlichen Interesse an der Erhebung einer negativen Feststellungsklage, zwar zu. Dies berührt jedoch nicht die Frage, ob nicht ein rechtliches Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO vorliegen kann. Diese Vorschrift möchte es ermöglichen, daß die Parteien ohne Durchführung eines Streitverfahrens tatsächliche Fragen zuvor abklären, um anhand des im selbständigen Beweisverfahrens eingeholten Sachverständigengutachtens darüber entscheiden zu können, ob sie sich nun einigen oder jetzt oder später in ein Streitverfahren eintreten wollen. Insgesamt dient damit diese Vorschrift sowohl der Entlastung der Parteien, als auch der Entlastung der Gerichte von Streitverfahren, indem in ganz weitem Umfang die Durchführung eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens zu Einholung von Sachverständigenbeweis für zulässig erklärt wird, solange noch kein streitiges Verfahren anhängig ist.

Unter Berücksichtigung dieses Gesetzeszweckes ist das von der Antragstellerin beantragte selbständige Beweisverfahren zulässig. Da die Antragstellerin im Parallelverfahren – 21 OH 12/98 – aufgrund der Streitverkündung der hiesigen Antragsgegnerin und aufgrund ihres Beitrittes auf Seiten der hiesigen Antragsgegnerin nur Anträge stellen kann, die den Standpunkt der hiesigen Antragsgegnerin unterstützen, kann sie die im hiesigen selbständigen Beweisverfahren aufgestellten Behauptungen nicht durch entsprechende erweiternde Beweisanträge abklären lassen. Sie ist darauf angewiesen, diese in einem gesonderten Verfahren sachverständig abzuklären. Führt dieses Verfahren zu eindeutigen Ergebnissen, ist damit zu rechnen, daß die Parteien dieses Verfahrens – evtl. unter Einschaltung ihrer Haftpflichtversicherungen – zu einer Einigung ohne Anstrengung eines streitigen Verfahrens gelangen werden. Gerade dazu dient aber die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens, das deshalb zulässig ist.

Es ist nicht richtig, wenn die Antragsgegnerin behauptet, durch dieses Verfahren kämen auf sie erhebliche Kosten zu.

Diese Kosten kommen nur auf sie zu, weil sie sich am Verfahren beteiligt und dazu einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat. Notwendig war dies nicht. Aufgehoben ist damit auch die vom Landgericht ausgesprochene Kostenentscheidung zu Lasten der Antragstellerin.

Im selbständigen Beweisverfahren gibt es nur eine Kostenentscheidung nach § 494 a ZPO, im nachfolgenden Streitverfahren nach §§ 91 ff ZPO und bei erfolgloser Beschwerde nach § 97 ZPO (siehe Hartmann in Baumbach/Lauterbach a.a.O. § 91 RN 21 zu „Selbständiges Beweisverfahren” nach BGHZ 20, 1 und 15). Da der Antragsgegner sich nicht am Verfahren beteiligen muss und ihm im Fall seiner Nichtbeteiligung keine Nachteile entstehen, besteht für darüber hinausgehende Kostenentscheidungen kein Anlass.

 

Unterschriften

Treuer– Vors. Richter am OLG, –Ditten– Richter am OLG, –Dr. Hoffmann– Richter...

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