Leitsatz (amtlich)

1. Die Ersetzung der Sorgeerklärung eines Elternteils gem. Art. 224 § 2 Abs. 3 EGBGB in Fällen, in denen sich die nicht miteinander verheirateten Eltern vor dem 1.7.1998 getrennt haben, setzt voraus, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes dient. Dabei ist auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Ersetzungsantrag abzustellen.

2. Die gemeinsame Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern dient nur dann dem Wohl des Kindes, wenn bei beiden Elternteilen Kooperationsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit in den Angelegenheiten des Kindes vorhanden sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob in absehbarer Zeit Entscheidungen in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind zu treffen sind (§ 1687 Abs. 1 S. 1 BGB)

 

Verfahrensgang

AG Tübingen (Beschluss vom 19.05.1999; Aktenzeichen 6 F 60/99)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG Tübingen - FamG - vom 19.5.1999 (6 F 60/99) wird zurückgewiesen.

II. Die Anträge des Antragstellers, die Sorgeerklärung der Kindesmutter zu ersetzen, hilfsweise die Sorgeerklärung der Kindesmutter insoweit zu ersetzen, als das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Wahl der Schullaufbahn sowie der beruflichen Ausbildung und grundlegende Entscheidungen im Bereich der medizinischen Versorgung betroffen sind, werden zurückgewiesen.

III. Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Verfahrens 18 UF 30/03 und die dort entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin.

Ansonsten wird von der Erhebung von Gerichtskosten und der Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten abgesehen.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

V. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 8.000 DM.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin, sind die nicht verheirateten Eltern des am ... geborenen Kindes M. Im Zeitpunkt der Geburt und die folgenden Jahre haben die Eltern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengewohnt. Die Antragsgegnerin hat ihre Ausbildung begonnen; bis zu dessen Beendigung hat sich der Antragsteller neben seiner Erwerbstätigkeit vornehmlich um die Pflege und Erziehung von M. gekümmert.

Im Februar 1996 ist die Antragsgegnerin mit dem Kind aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Am 1.3.1996 haben die Eltern eine Vereinbarung zum Aufenthalt von M. geschlossen und darin festgelegt, dass sich M. von Montag bis Mittwoch abends beim Antragsteller und von Mittwoch abends bis einschließlich Freitag bei der Antragsgegnerin aufhält und die Wochenenden in wöchentlichem Wechsel bei Vater und Mutter verbringt.

Bereits vor und auch nach In-Kraft-Treten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes zum 1.7.1998 hat der Antragsteller, der am 12.2.1999 vor dem Landratsamt - Kreisjugendamt - erklärt hat, die elterliche Sorge für M. gemeinsam mit der Antragsgegnerin ausüben zu wollen, diese gebeten, gleichfalls eine Sorgeerklärung abzugeben. Die Antragsgegnerin hat dies bis heute abgelehnt.

Die ablehnende Haltung der Antragsgegnerin war Anlass für den Antragsteller, am 15.2.1999 beim FamG den Antrag zu stellen, den Eltern die elterliche Sorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Wahl der Schullaufbahn und der beruflichen Ausbildung sowie grundlegende Entscheidungen im Bereich der medizinischen Vorsorge gemeinsam zu übertragen. Das FamG hat Haupt- und Hilfsantrag des Antragstellers durch Beschluss vom 19.5.1999 zurückgewiesen.

Gegen diesen seinem Rechtsvertreter am 2.6.1999 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller die am 8.6.1999 beim OLG eingegangene Beschwerde eingelegt, mit der er seinen Antrag aus dem ersten Rechtszug weiter verfolgte.

Der Senat hat mit Beschluss vom 2.12.1999 (OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.12.1999 - 18 UF 259/99, OLGReport Stuttgart 2000, 89) die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - FamG - Tübingen vom 19.5.1999 als unbegründet zurückgewiesen. Diese Entscheidung stützte der Senat darauf, dass unabhängig von der Frage einer Verfassungswidrigkeit des § 1626a BGB die gemeinsame Sorge im hier vorliegenden Fall auch dann nicht anzuordnen wäre, wenn das Gesetz eine entsprechende Möglichkeit bereithalten würde. Nach den damaligen Feststellungen des Senats konnte weder davon ausgegangen werden, dass die Eltern im erforderlichen Umfang kooperationsbereit sind noch dass ihre fehlende Kooperationsbereitschaft ohne negative Auswirkungen auf M. bleiben würde.

Mit der vom Senat zugelassenen, weiteren Beschwerde verfolgte der Antragsteller vor dem BGH sein bereits in erster und zweiter Instanz verfolgtes Begehren, die gemeinsame elterliche Sorge für M. herzustellen, weiter. Der BGH hat mit Beschluss vom 4.4.2001 (BGH, Beschl. v. 4.4.2001 - XII ZB 3/00, MDR 2001, 871 = BGHReport 2001, 497 = FamRZ 2001, 907) die weitere Beschwerde zurückgewiesen. § 1626a BGB sei entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht verfassungswidrig und entspräche auch den völkerrechtlichen Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Weil die Vorschrift ...

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