Verfahrensgang

AG Tübingen (Beschluss vom 19.05.1999; Aktenzeichen 6 F 60/99)

 

Nachgehend

BVerfG (Urteil vom 29.01.2003; Aktenzeichen 1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01)

 

Tenor

I.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Tübingen vom 19. Mai 1999 – 6 F 60/99 – wird

zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

III.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 8.000 DM

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin, beide erwerbstätig als Journalisten, sind die nichtehelichen Eltern des am … 1993 geborenen Kindes J. Im Zeitpunkt der Geburt haben die Eltern zusammengewohnt. Nach der Geburt hat die Antragsgegnerin ihr Volontariat als Journalistin begonnen; bis zu dessen Beendigung hat sich der Antragsteller neben seiner Erwerbstätigkeit her vornehmlich um die Pflege und Erziehung von J. bemüht.

Im Februar … ist die Antragsgegnerin mit dem Kind aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Am … haben die Eltern eine Vereinbarung zum Aufenthalt von J. geschlossen und darin festgelegt, dass sich J. von Montag bis Mittwoch abends beim Antragsteller und von Mittwoch abends bis einschließlich Freitag bei der Antragsgegnerin aufhält und die Wochenden den Eltern in wöchentlichem Wechsel zufallen.

Bereits vor und auch nach Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes zum 1.7.1998 hat der Antragsteller, der am … 1999 vor dem Landratsamt – Kreisjugendamt – erklärt hat, die elterliche Sorge für J. gemeinsam mit der Antragsgegnerin ausüben zu wollen, diese gebeten, gleichfalls eine Sorgeerklärung dahin abzugeben, dass die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausüben wollen. Die Antragsgegnerin hat die Abgabe einer Sorgeerklärung abgelehnt.

Die Verweigerungshaltung der Antragsgegnerin war Anlass für den Antragsteller, beim Familiengericht den Antrag zu stellen,

den Eltern die elterliche Sorge, hilfsweise das Aufenthaltesbestimmungsrecht, die Wahl der Schullaufbahn und der beruflichen Ausbildung sowie grundlegende Entscheidungen im Bereich der medizinischen Vorsorge gemeinsam zu übertragen.

Aufgrund des anhaltenden Widerstandes der Antragsgegnerin hat das Familiengericht Haupt- und Hilfsantrag des Antragstellers durch Beschluss vom 19.5.1999

zurückgewiesen.

Gegen diesen seinem Rechtsvertreter am 2.6.1999 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller durch diesen die am 8.6.1999 beim Oberlandesgericht eingegangene Beschwerde eingelegt, mit der er

seinen Antrag aus dem ersten Rechtszug

weiterverfolgt. Hierzu beruft er sich auf sein verfassungsrechtlich eingeräumtes und geschütztes Recht auf Erziehung und Pflege seines Kindes sowie auf die von Verfassungs wegen geforderte Gleichstellung nichtehelicher mit ehelichen Kindern.

Die Antragsgegnerin

widersetzt

sich weiter einem gemeinsamen Sorgerecht. Obwohl sie der Einschätzung des Antragstellers, dass im von ihnen praktizierten Wechsel der Betreuung von J. keine grundlegenden Schwierigkeiten zwischen ihnen bestehen, folgt, beharrt sie auf dem alleinigen Sorgerecht, weil der Antragsteller ihre Erziehungsfähigkeit in Frage stelle und sie als lebensunfähig und als schlechte Mutter bezeichne. Deshalb befürchtet sie, dass der Antragsteller ihm zustehende Rechte dazu benutzen könnte, sich in ihr Leben einzumischen und sie letztlich aus dem Sorgerecht ganz hinauszudrängen.

Auf das weitere Vorbringen der Eltern in den gewechselten Schriftsätzen sowie bei der Anhörung vor dem Senat wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die befristete Beschwerde nach §§ 621 e Abs. 1 S. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zum Oberlandesgericht ist zulässig. Zwar führen § 23 b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GVG, § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 64 Abs. 1 FGG nicht bereits ihrem Wortlaut nach zur Zuständigkeit des Familiengerichts für Rechtsstreitigkeiten der vorliegenden Art, weil eine solche auch das Bürgerliche Gesetzbuch nicht ausdrücklich vorsieht. Dass das Bürgerliche Gesetzbuch solche Verfahren nicht dem Familiengericht zuweist, hat seinen Grund darin, dass solche Streitigkeiten im Gesetzgebungsverfahren offensichtlich nicht bedacht worden sind, weshalb im übrigen diese Verfahren auch nicht den Vormundschaftsgerichten (§ 35 FGG) zugedacht worden sind. Aus der Intention des Gesetzgebers des Kindschaftsrechtsreformgesetzes, für alle Sorgerechtsangelegenheiten die Zuständigkeit des Familiengerichts vorzusehen (BT-Drucks. 13/4899 S. 71 f.), sowie aus der Zuständigkeit des Familiengerichts für Verfahren auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Vater nach § 1672 BGB und zur Regelung des Umgangs auch eines nichtehelichen Elternteils mit seinem Kind (§ 1684 Abs. 4 S. 1 BGB) folgt jedoch die Zuständigkeit des Familiengerichts auch für das vorliegende, nicht ausdrücklich vorgesehene Verfahren, das als solches nach § 23 b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GVG, § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anzusehen und zu behandeln ist.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

a) Die gesetzliche Regelung in den §§ 1626 a ff. BGB sieht einen A...

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