Entscheidungsstichwort (Thema)

Schonvermögen im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Wochenendhaus im Ausland ist kein Schonvermögen im Rahmen der Prozesskostenhilfegewährung. Es ist zur Prozesskostenfinanzierung zu verwerten, wenn dies zumutbar ist.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Beschluss vom 09.08.2005; Aktenzeichen 3 O 314/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des LG Ulm v. 9.8.2005 - 3 O 314/05, abgeändert.

Der Antragstellerin wird für den 1. Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt (Name/Anschrift) zu den Bedingungen eines am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe bewilligt.

Die Antragstellerin hat aus ihrem Vermögen 1.000 EUR auf die Prozesskosten zu bezahlen; diese werden ihr bis zum 31.1.2007 gestundet.

 

Gründe

I. Mit Beschl. v. 9.8.2005 (Bl. 47 d.A.) hat das LG Ulm der Klägerin Prozesskostenhilfe für den 1. Rechtszug ohne Anordnung von Ratenzahlungen aus dem Einkommen oder sonstiger Beträge auf die Prozesskosten bewilligt.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten, ihren geschiedenen Ehemann, einen Zahlungsanspruch auf der Grundlage eines vor dem LG Ulm am 9.12.2004 (LG Ulm v. 9.12.2004 - 2 O 351/04) geschlossenen Vergleichs verfolgt. In diesem Vergleich hatte sich die Klägerin (und damalige Beklagte) verpflichtet, gegen Zahlung eines Betrags i.H.v. 10.000 EUR durch den Beklagten (und damaligen Kläger) an diesen ihren hälftigen Mieteigentumsanteil an einer Wohnung in (Ort), (Straße) zu übertragen. Nachdem der Beklagte diesen Betrag bislang entgegen der Vereinbarung im Vergleich nicht hinterlegt hatte, begehrte die Klägerin mit der vorliegenden Klage die Titulierung der Zahlungsverpflichtung des Beklagten (Zug-um-Zug gegen Übertragung und Bewilligung der Auflassung des hälftigen Miteigentumsanteils der Klägerin an diesem Grundbesitz).

Das LG hat mit Urt. v. 16.11.2005 (Bl. 89 d.A.) der Klage in der Hauptsache weitgehend stattgegeben.

Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten übersandte mit Schriftsatz vom 15.9.2005 (Bl. 65 d.A.) den Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss des LG dem Bezirksrevisor mit dem Hinweis, dass die Klägerin Eigentümerin eines Grundstücks in Serbien sei. Wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 22.8.2005 (vgl. Bl. 56 d.A.) mitgeteilt habe, habe das Grundstück mit Haus einen Wert von mindestens 20.000 EUR bis 25.000 EUR. Mit Schreiben vom 4.10.2005 hat der Bezirksrevisor daraufhin gegen den Beschluss des LG Ulm Beschwerde eingelegt. Das Hausgrundstück könne zur Bestreitung der anfallenden Prozesskosten herangezogen werden, da es das der Klägerin zustehende Schonvermögen weit übersteige. Insbesondere könne die Klägerin zur Deckung der Prozesskosten das Haus veräußern, beleihen oder vermieten. Lediglich die Behauptung der Klägerin, dass aus dem Haus keine Mieteinnahmen erzielt werden und das Haus zudem unverkäuflich sei, rechtfertigten es nicht, ihr Prozesskostenhilfe zum Nulltarif zu bewilligen. Vielmehr habe die Klägerin vor Bewilligung von Prozesskostenhilfe anhand geeigneter Unterlagen darzulegen, dass eine wirtschaftliche Nutzung oder Veräußerung des Hausgrundstücks derzeit nicht möglich sei.

Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 101 d.A.).

II. Die gem. § 127 Abs. 3 S. 1 ZPO zulässige, insb. fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Bezirksrevisor gegen den Beschluss des LG, mit dem dieses der Antragstellerin Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen oder sonstiger Zahlungen aus dem Vermögen gewährt hat, ist begründet.

Gemäß § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO hat die bedürftige Partei zur Finanzierung des Prozesses ihr Vermögen einzusetzen, soweit ihr das zumutbar ist. Nach § 90 Abs. 1 SGB XII, auf den § 115 Abs. 2 S. 2 ZPO Bezug nimmt, gehört zum einzusetzenden Vermögen das gesamte verwertbare Vermögen.

1. Der Senat lässt dahingestellt, in wie weit die Antragstellerin sich bereits den mit vorliegendem Urteil rechtskräftig titulierten, zu erwartenden Geldbetrag aus der Übertragung ihres hälftigen Miteigentumsanteils an der früheren Ehewohnung als gegenwärtigen Vermögenswert i.S.d. § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO zurechnen lassen muss, nachdem die Klägerin diese Wohnung selbst nicht mehr nutzt. Denn grundsätzlich ist ein Familienheim dem in zumutbarer Weise einzusetzenden Vermögen zuzurechnen, wenn feststeht, dass es im Hinblick auf eine Scheidung ohnehin veräußert wird (unstreitig vgl. Schoreit/Dehn, Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe, 8. Aufl. 2004, § 115 Rz. 45, m.w.N.). Andererseits dient der Prozess hier gerade der Durchsetzung der Auseinandersetzungsforderung aus der Übernahme der gemeinschaftlichen Wohnung durch den Beklagten; insoweit sind die Meinungen in Rechtsprechung und Literatur geteilt, ob die Forderung, zu deren Durchsetzung Prozesskostenhilfe begehrt wird, im Rahmen der Vermögensprüfung zu berücksichtigen ist (bejahend OLG Nürnberg v. 11.4.1989 - 1 W 4258/88, FamRZ 1989, 995, m. zustimmender Anm. Büttner; Schoreit/Dehn, Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe, 8....

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