Entscheidungsstichwort (Thema)

Einsatz von Grundvermögen zur Bestreitung von Prozesskosten

 

Leitsatz (redaktionell)

Grundvermögen, welches kein Schonvermögen ist, ist für Prozesskosten nur dann einzusetzen, wenn die Partei deshalb ein Darlehen gegen die Bestellung eines Grundpfandrechts erlangen kann.

 

Normenkette

ZPO § 115; SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 8

 

Verfahrensgang

AG Betzdorf (Beschluss vom 09.05.2005; Aktenzeichen 5 F 107/05)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - FamG - Betzdorf vom 9.5.2005 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die nach §§ 127 Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das FamG hat die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zu Recht mit der Begründung verweigert, der Antragsteller müsse das Zweifamilienhaus in ..., welches in seinem Miteigentum steht, verwerten.

Die Parteien sind je zur ideellen Hälfte Eigentümer dieses bebauten Grundstücks. Das Haus ist vermietet. Nach den Angaben des Antragstellers hat das Grundstück einen Verkehrswert von rund 200.000 EUR und ist mit valutierenden Grundpfandrechten von ca. 140.000 EUR belastet. Die Mieteinnahmen übersteigen mit monatlich 120 EUR die laufenden Kosten.

Bei dieser Sachlage bestehen allerdings Bedenken, ob der Antragsteller verpflichtet ist, das Haus bzw. den Miteigentumsanteil für die Prozesskosten zu veräußern. Denn es muss sich bei dem nach § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO einzusetzenden Vermögen um zur Finanzierung der Prozesskosten verfügbares Vermögen handeln. Deshalb muss bei Grundvermögen, welches nach § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII grundsätzlich zu verwerten ist, festgestellt werden können, dass die Partei das Grundstück zeitnah verkaufen und voraussichtlich einen zur Deckung der Prozesskosten ausreichenden Erlös erzielen könnte (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl., Rz. 326). In der Regel ist der Verkauf einer Immobilie aber ein langwieriges Verfahren, welches der Partei zeitnah keine verwertbaren Mittel verschafft. Sie darauf zu verweisen, hieße letztlich ihr den Zugang zum Gericht zu verweigern.

Deshalb ist nach Auffassung des Senats die Partei in Ansehung des Grundvermögens nur dann nicht als bedürftig anzusehen, wenn es ihr unter Berücksichtigung ihrer Einkommensverhältnisse zu zumutbaren Konditionen gelingen kann, für die Prozesskosten ein Darlehen gegen Bestellung eines Grundpfandrechts zu erlangen (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 115 Rz. 64). Insofern teilt der Senat die verbreitete Auffassung, Grundvermögen, welches kein Schonvermögen sei, sei in jedem Fall einzusetzen, nicht (so aber: OLG Koblenz v. 6.5.2002 - 5 W 220/02, MDR 2002, 904; v. 27.1.2004 - 13 WF 82/04, FamRZ 2004, 1298; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 146). Zwar ist es richtig, dass § 90 SGB XII nur die angemessene Familienwohnung schützt. Insofern liegt hier unzweifelhaft kein Schonvermögen vor. Gleichwohl steht der Einsatz des Vermögens unter dem generellen Grundsatz der Zumutbarkeit (Verhältnismäßigkeit). Insofern ist im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass das Vermögen hier nur durch eine Teilungsversteigerung oder einen gemeinschaftlichen Verkauf zu realisieren ist. Beides wird nicht zu einem zeitnahen Mittelzufluss führen. Auch die Anordnung einer Zahlung zu einem späteren Termin nach § 120 Abs. 1 S. 2 ZPO scheidet aus (so aber: Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl., Rz. 326; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.2.2004 - 16 WF 195/03). § 120 Abs. 1 ZPO regelt nur den Fall, dass derzeit anzuerkennende Belastungen absehbar wegfallen werden. Abgesehen davon, dass hiermit nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift Verpflichtungen, die das Einkommen belasten, gemeint sind, kann ein Zeitpunkt, in dem das Grundstück voraussichtlich veräußert sein wird, nicht annähernd bestimmt werden.

Hier kann aber das Vermögen dadurch für die Prozesskosten nutzbar gemacht werden, dass ein Darlehen aufgenommen wird.

Dass dieses nicht möglich ist, hat der Antragsteller zwar behauptet, jedoch nicht glaubhaft begründet. Bereits das FamG hat in seiner Nichtabhilfeentscheidung darauf hingewiesen, dass hier die Restschuld mit rund 140.000 EUR erheblich unter dem Verkehrswert des Grundstücks liegt. Außerdem wird durch die Mieteinnahmen ein Überschuss von rund 120 EUR erwirtschaftet, die dem Antragsteller zusammen mit seiner Ehefrau zustehen. Mit Rücksicht darauf ist es nicht überzeugend, dass es nicht möglich sein soll, den besicherten Kredit maßvoll aufzustocken. Gegebenenfalls reicht es aus, nur die Zinsen zu bedienen, bis das Haus im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung mit der Ehefrau verkauft wird. Auch die Aufnahme eines solchen Darlehens ist zumutbar.

 

Fundstellen

FamRZ 2006, 136

FuR 2005, 525

MDR 2005, 1368

www.judicialis.de 2005

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