Leitsatz (amtlich)

Kostenfestsetzung: Wenn das Gericht unzulässigerweise eine Entscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 ZPO über die Kosten des "Rechtsstreits" erlassen hat, obwohl eine Klagezustellung nicht erfolgt ist und eine Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 ZPO ebenfalls nicht in Betracht kommt, findet im Rahmen der dem Rechtspfleger obliegenden Kostenfestsetzung und der ihm insoweit zugeordneten Prüfungskompetenz keine Kostenerstattung statt, weil es keinen Rechtsstreit gibt, in dem Kosten angefallen wären.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 103 Abs. 1, § 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 16.10.2009; Aktenzeichen 18 O 240/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des LG Stuttgart vom 16.10.2009 - 18 O 240/08, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: 2.112 EUR.

 

Gründe

1. Am 19.3.2008 reichte die Klägerin eine Klage im Urkundsprozess wegen einer Forderung von 47.600 EUR beim LG Stuttgart ein. Mangels Einzahlung des Prozesskostenvorschusses erfolgte keine Zustellung an die Beklagte.

Im Verhandlungstermin vom 30.7.2008 in den Parallelverfahren 18 O 139/08 und 18 O 254/08 nahm die Klägerin auf den Hinweis des Gerichts, dass die einzelnen Ratenklagen 18 O 240/08 sowie 18 O 90/08 und 18 O 254/08 wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (18 O 139/08) unzulässig seien, diese zurück.

Auf Antrag der Beklagten wurden der Klägerin mit "Verfügung" vom 26.6.2009 nach erfolgter Klagerücknahme die Kosten des Rechtsstreits gem. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auferlegt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde wurde vom 6. Zivilsenat am 25.8.2009 - 6 W 46/09, als verfristet und damit unzulässig verworfen.

Am 16.7.2009 beantragte die Beklagte die Festsetzung eines Betrags von 2.112 EUR (0,8-Verfahrensgebühr und 1,2-Terminsgebühr zzgl. Auslagenpauschale).

Mit Beschluss vom 16.10.2009 hat die Rechtspflegerin den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, dass notwendige und damit erstattungsfähige Kosten des Rechtsstreits vor Rechtshängigkeit nicht entstanden seien.

Gegen die am 22.10.2009 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten am 29.10.2009 sofortige Beschwerde eingelegt, weil sie bereits vor Rechtshängigkeit von der Klage durch die Klägerin gewusst und ihren Anwalt entsprechend beauftragt habe, der sodann die die Kosten auslösenden Tätigkeiten vorgenommen habe. Die Klägerin hat sich hierzu nicht geäußert.

Die Rechtspflegerin hat die Akte ohne Abhilfe dem OLG mit Beschluss vom 12.11.2009 zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG), aber in der Sache nicht begründet.

Mit "Verfügung" vom 26.6.2009 wurden der Klägerin auf Antrag der Beklagten nach erfolgter Klagerücknahme (vor Zustellung!) gem. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Das hiergegen statthafte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 269 Abs. 5 ZPO wurde wegen Verfristung als unzulässig verworfen, so dass die Kostengrundentscheidung vom 26.6.2009 rechtskräftig geworden ist.

In dem sich anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren ist die Rechtspflegerin zu einer Überprüfung der Richtigkeit der von der Einzelrichterin getroffenen Kostengrundentscheidung nicht befugt und an diese als Kostentitel i.S.d. § 103 Abs. 1 ZPO gebunden.

Danach ist für sie unbeachtlich, dass die Entscheidung fälschlicherweise auf § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO gestützt wurde. Denn diese Vorschrift setzt eindeutig eine echte Klagerücknahme nach Rechtshängigkeit, also nach vorheriger Klagezustellung, voraus.

Ebenso hat sie nicht zu erwägen die Unanwendbarkeit des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO, der die Rücknahme der anhängigen Klage infolge einer Erledigung verlangt. Eine solche scheidet aber aus, wenn die Klage von Anfang an unzulässig war und allein deshalb - auf entsprechenden Hinweis des Gerichts - vor Rechtshängigkeit zurückgenommen wird (vgl. Beschluss des 6. Zivilsenats vom 11.9.2009 - 6 W 48/09, m.w.N., zur Kostengrundentscheidung in dem Parallelverfahren 18 O 90/08), so dass die Kostenauferlegung auf die Klägerin zwar rechtskräftig und damit bindend, aber rechtswidrig ohne die entsprechende gesetzliche Grundlage erfolgte.

Der Rechtspflegerin hat zwar nicht über die Rechtmäßigkeit der Kostengrundentscheidung zu befinden, aber im Rahmen der ihr nach § 21 Nr. 1 RpflG allein übertragenen Kostenfestsetzung gem. § 103 Abs. 1 ZPO obliegt ihr die inhaltliche Ausfüllung des richterlichen Kostenbeschlusses durch die Feststellung, ob überhaupt ein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien entstanden ist, welche Kosten in diesem angefallen und darüber hinaus auch als notwendige Kosten des Rechtsstreits erstattungsfähig i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind.

Wenn das Gericht - wie hier - unzulässigerweise eine Entscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 ZPO über die Kosten des "Rechtsst...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge