Leitsatz (amtlich)

1. Bei dem Video-Brücken-Abstandsmessverfahren ViBrAM-BAMAS handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH (St 39, 291; 43, 277).

2.a) Ist der Betroffene einer Ordnungswidrigkeit des Nichteinhaltens des vorgeschriebenen Abstandes schuldig, welche mit dem genannten Verfahren nachgewiesen wurde, muss der Tatrichter in den schriftlichen Urteilsgründen in der Regel nur das angewendete Messverfahren (ViBrAM-BAMAS), die Geschwindigkeit des Betroffenen sowie die Länge des Abstandes zwischen den Fahrzeugen des Betroffenen und des Vorausfahrenden feststellen. Toleranzen brauchen weder zur Geschwindigkeit noch zum Abstand mitgeteilt zu werden.

b) Beträgt die festgestellte Unterschreitung des Abstandes zwischen den beiden Fahrzeugen weniger als ein Meter, bezogen auf den Abstand, der für die Bemessung der Rechtsfolgen nach Nr. 12.4 bis Nr. 12.6.5 der Anlage und des Anhanges zur BKatV maßgeblich ist, bedarf es unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles der Überprüfung, ob der Vorwurf der Abstandsunterschreitung zu Recht erhoben ist. In diesen Fällen ist in den schriftlichen Urteilsgründen über die vorstehend genannte Punkte hinaus mitzuteilen, aufgrund welcher Umstände der Betroffene gleichwohl einer Unterschreitung des Abstandes im vorgegebenen Umfang schuldig ist.

Der Mitteilung des gesamten Rechenwerkes des Verfahrens ViBrAM-BAMAS bedarf es auch in diesen Fällen nicht.

3. Vorbehaltlich der Aufklärungspflicht kann die vom ermittelnden Polizeibeamten mit Hilfe der EDV erstellte Auswertung, in der insbesondere die Geschwindigkeit des Betroffenen und die Länge des Abstandes errechnet wurden, in der Hauptverhandlung verlesen werden. Einer Vernehmung des Polizeibeamten bedarf es dann nicht.

 

Verfahrensgang

AG Heilbronn (Entscheidung vom 23.10.2006; Aktenzeichen AK 391/06)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 23. Oktober 2006 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht setzte gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Unterschreitens des vorgeschriebenen Abstandes eine Geldbuße von 75 Euro fest. Nach den Feststellungen befuhr dieser am 8. November 2005 um 11.02 Uhr die Bundesautobahn A 6 aus Richtung in Fahrtrichtung . In Höhe von Kilometer 684 auf Gemarkung folgte er auf dem linken Fahrstreifen einem ihm unmittelbar vorausfahrenden Pkw vom Typ VW. Im Wege des Brückenabstandsmessverfahrens mit Videoaufzeichnung (ViBrAM-BAMAS) wurde festgestellt, dass er innerhalb einer Messstrecke von 50 Metern bei einer Geschwindigkeit von 131 km/h zum vorausfahrenden Fahrzeug einen Abstand von lediglich 22 Metern und damit weniger als 4/10 des halben Tachometerwertes einhielt. Den Mindestabstand hatte er auf einer Länge von 500 Metern deutlich unterschritten, innerhalb der vor ihm oder vor dem Vorausfahrenden keine Fahrzeuge eingeschert sind und auch sonst "auffällige Fahrmanöver" des Vorausfahrenden nicht vorgelegen haben. Dem Betroffenen war es möglich, den vorgeschriebenen Mindestabstand einzuhalten.

Das Amtsgericht hat die Unterschreitung des zulässigen Abstandes aus den Angaben des Zeugen PHK welcher die Messung durchgeführt hat, und des Sachverständigen Dipl. Ing. gefolgert. Es legt das Messverfahren dar und teilt die aus seiner Sicht für die Berechnung von Geschwindigkeit und Abstand notwendigen Messwerte mit. Der Sachverständige kommt zu einem gegenüber den Berechnungen der Polizei für den Betroffenen geringfügig günstigeren Ergebnis.

Der Betroffene hat beantragt,

gegen diese Entscheidung die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das Gericht habe die notwendigen Toleranzen nur unzureichend berücksichtigt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,

die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.

II.

Der Einzelrichter hat mit Beschluss vom 5. Februar 2007 die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG zugelassen und die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil es geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen (§ 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG). Die Frage, ob es sich bei dem Brückenabstandsmessverfahren mit Videoaufzeichnung ViBrAM-BAMAS um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH handelt, ist - soweit ersichtlich - bislang in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht beantwortet worden. Die von der Generalstaatsanwaltschaft angesprochene Entscheidung des OLG Hamm vom 24. Mai 2004 (VD 2004, 220) betrifft das in Nordrhein-Westfalen angewendete Videoabstandsmessverfahren VAMA (hierzu auch OLG Hamm VRS 86, 362; 106, 466). Mit Beschluss vom 5. Februar 2007 hat der Senat die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage beschlossen, ob es sich bei dem genannten Messverfahren um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 39, 291; 43, 27...

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