Leitsatz (amtlich)

1. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die einem Nebenintervenienten zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 89a Abs. 3 GWB ist mit der Beschwerde anfechtbar.

2. Die formlose Bekanntgabe eines Beschlusses zur Festsetzung des Gegenstandswertes gemäß § 33 Absatz 1 RVG setzt die Beschwerdefrist nicht in Gang.

3. Wirkt § 89a Absatz 3 Satz 2 GWB bei der Festsetzung der Gegenstandswerte der Nebeninterventionen begrenzend, muss die Summe der festgesetzten Gegenstandswerte den gesetzlich zulässigen Höchstwert auch tatsächlich erreichen.

 

Normenkette

GWB § 89a; RVG § 33; ZPO § 189

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 05.08.2022; Aktenzeichen 53 O 260/21)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Streithelferinnen [...] wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 05.08.2022 unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt abgeändert:

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Streithelferinnen [...] wird auf jeweils 230.892,78 Euro festgesetzt.

 

Gründe

A Die drei Streithelferinnen des S.-Konzerns (nachfolgend: "S.-Streithelferinnen") wenden sich gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes in einem kartellrechtlichen Schadensersatzprozess.

In dem zugrundeliegenden Verfahren verlangt die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 2.078.035,00 Euro nebst Zinsen wegen der Beteiligung am sog. LKW-Kartell. Die Beklagte verkündete verschiedenen Mit-Kartellanten den Streit. In der Folge traten zehn Streithelfer dem Streit auf Seiten der Beklagten bei, von denen eine Streithelferin (M.) am 30.08.2021 ihren Streitbeitritt wieder zurücknahm.

Nach dem erstinstanzlichen Urteil, mit dem der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden, beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf § 33 Absatz 1 RVG die Festsetzung des Gegenstandswertes nach Maßgabe des § 89a Absatz 3 GWB. Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Landgericht den Gegenstandswert für jede Streithelferin auf jeweils 207.803,50 Euro fest. Zur Begründung führte das Landgericht aus, der Streitwert der Nebenintervention decke sich grundsätzlich mit dem Streitwert der unterstützten Partei, der maßgebliche Wert sei jedoch gemäß § 89a Absatz 3 GWB in der Summe auf den Streitwert der Hauptsache begrenzt. Mangels konkreter Anhaltspunkte für eine Haftung im Innenverhältnis sei die Verteilung der Gegenstandswerte auf die Streithelferinnen nach Kopfteilen sachgerecht. Seiner Berechnung legte das Landgericht die Beteiligung von zehn Streithelferinnen zugrunde.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der S.-Streithelferinnen mit dem Antrag,

in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Kosten auf einen Gegenstandswert von jeweils EUR 230.892,78 für alle Streithelferinnen einheitlich festzusetzen.

Zur Begründung tragen sie vor, bei der Berechnung der Kopfteile sei von neun Streithelferinnen auszugehen, da eine Streithelferin ihren Streitbeitritt zurückgenommen habe. Dies sei analog § 269 Absatz 2 ZPO mit der Kostenfolge des § 269 Absatz 3 Satz 2 ZPO möglich. Eine Kostenerstattung finde somit nicht mehr statt.

Die Klägerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Ob eine einzelne Nebenintervenientin Kostenerstattung gegen den Prozessgegner geltend mache, sei ohne Bedeutung.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die nachträgliche Rücknahme des Streitbeitritts durch einen Nebenintervenienten ändere nichts daran, dass von der ursprünglichen Anzahl von zehn Nebenintervenienten auszugehen sei. Zum einen sei nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin nach § 269 Absatz 3 Satz 2 ZPO analog "aus anderen Gründen" die Kostentragung auferlegt werden könne. Zum anderen würde eine nachträgliche Erhöhung der Kopfstreitwerte der Streithelferinnen zu einer Erhöhung der ersatzfähigen Gebühren führen, wodurch die Klägerin - aufgrund der degressiven Gebührenordnung jedenfalls teilweise - indirekt wieder mit der Kostentragungspflicht der Kosten der ausgeschiedenen Streithelferin belastet werden würde.

B Die Beschwerde ist nur teilweise zulässig.

I. Der Beschwerdeantrag zielt darauf ab, dass der Gegenstandswert für alle Streithelferinnen einheitlich nach oben gesetzt werden soll. Soweit die S.-Streithelferinnen dieses Ziel nicht für sich selbst, sondern für die übrigen Streithelferinnen anstreben, fehlt es an der erforderlichen Beschwer, weshalb die Beschwerde insoweit als unzulässig zu verwerfen ist. Die übrigen Streithelferinnen haben sich nicht der Beschwerde angeschlossen, auch nicht die Streithelferinnen V. mit der für ein Rechtsmittel notwendigen Klarheit. Für sie bleibt es bei dem durch das Landgericht bestimmten Gegenstandswert.

II. Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig.

1. Entgegen der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle (Beschluss vom 17. Juni 2021 - 13 W 36/20) ist die Festsetzung des Gegenstandswerts für die einem Nebenintervenienten zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 89a Abs. 3 GWB mit der Beschwerde anfechtbar.

Die Beschwerde ist gem. § 33 Absatz 3 Satz 1 RVG statthaft. Berechnen sich die Gebü...

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