Leitsatz (amtlich)

Ausschließliche Zuständigkeit des AG am Sitz eines OLG nach § 28 AUG bei internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 3a oder b EuUntVO bei gewöhnlichem Aufenthalt eines der Beteiligten im Ausland.

 

Normenkette

AUG § 28; EuUntVO Art. 3a, 3b, 12; ZPO § 281

 

Verfahrensgang

AG Rottenburg (Beschluss vom 22.08.2012; Aktenzeichen 1 F 101/12)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Rottenburg vom 22.8.2012 (1 F 101/12) abgeändert:

Das AG Rottenburg am Neckar wird für unzuständig erklärt, der Rechtsstreit erster Instanz wird an das AG Stuttgart verwiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 2.400 EUR

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Beide habe die italienische Staatsangehörigkeit. Die Antragstellerin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien, der Antragsgegner lebt in Deutschland.

Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner höheren nachehelichen Unterhalt, als in einem gerichtlichen Vergleich aus dem Jahr 2007 vereinbart. Sie hat ihren Antrag beim AG Rottenburg am Neckar, in dessen Bezirk der Antragsgegner lebt, eingereicht. Der Antragsgegner rügte die Zuständigkeit dieses Gerichts und verwies auf ein bereits in Italien von ihm eingeleitetes Unterhaltsabänderungsverfahren.

Das Gericht hat mit Verfügungen vom 28.6.2012 und 25.7.2012 auf seine Bedenken hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit hingewiesen und die Antragstellerin schließlich aufgefordert, wegen § 28 Abs. 1 AUG Verweisungsantrag zu stellen.

Da die Antragstellerin keinen Verweisungsantrag stellte, hat das AG Rottenburg mit Beschluss vom 22.8.2012 den Antrag als unzulässig abgewiesen. Das AG Rottenburg sei für den Unterhaltsrechtsstreit nicht zuständig, es bestünde gem. § 28 AUG die ausschließliche Zuständigkeit des AG Stuttgart.

Die Antragstellerin hat Beschwerde eingelegt und zunächst das AG Rottenburg weiter für zuständig gehalten. Auf Hinweis der Senatsvorsitzenden hat die Antragstellerin Abgabe, hilfsweise Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich zuständige AG Stuttgart beantragt.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss.

II. Auf die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG) und den Hilfsantrag ist das Verfahren an das gem. § 28 AUG ausschließlich zuständige AG Stuttgart als AG am Sitz des OLG als Gericht erster Instanz zu verweisen.

Das AG Rottenburg am Neckar hat seine Zuständigkeit zu Recht verneint: Für isolierte Unterhaltsverfahren, in denen sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 3a oder b EuUntVO herleitet, bestimmt § 28 AUG eine Zuständigkeitskonzentration, wenn einer der Beteiligten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Da der Antragsgegner in Deutschland lebt, folgt die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 3a EuUntVO, da die Antragstellerin in Italien lebt, ergibt sich die örtliche Zuständigkeit aus § 28 AUG. Danach hat ausschließlich das Gericht zu entscheiden, das für den Sitz des OLG, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständig ist. Da der Antragsgegner im Bezirk des OLG Stuttgart lebt, ist das AG Stuttgart ausschließlich zuständig.

Da es sich um eine Familienstreitsache handelt (§ 112 FamFG) sind nicht die Vorschriften über die Abgabe und Verweisung §§ 3f FamFG, sondern gem. § 113 Abs. 1 FamFG die Verweisungsvorschriften der ZPO anzuwenden. Somit hat das AG zu Recht das Verfahren mangels Verweisungsantrags nicht abgegeben, sondern den Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

Nachdem nun in zweiter Instanz der notwendige Verweisungsantrag jedenfalls hilfsweise gestellt wurde, ist in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO der Rechtsstreit nach Aufhebung des Beschlusses des AG in erster Instanz an das ausschließlich zuständige AG Stuttgart zu verweisen. Diese Verweisung ist auch auf den erstmals in zweiter Instanz gestellten Antrag hin möglich (KG, Urt. v. 1.3.2011 - 14 U 122/08-, Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rz. 9). § 513 Abs. 2 ZPO steht nicht entgegen. Nur für den Fall, dass ein Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, ist eine Überprüfung dieser Annahme verwehrt, nicht jedoch für den umgekehrten Fall (Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 513 Rz. 11).

Durch Zulassung des erst in zweiter Instanz gestellten Verweisungsantrags entstehen für die Beteiligten keine Nachteile, denn die Antragstellerin hätte auch einen neuen Antrag beim AG Stuttgart stellen können.

Das AG Stuttgart wird gem. Art. 12 EuUntVO in eigener Zuständigkeit prüfen, ob das Verfahren wegen eines zeitlich früher anhängigen Verfahrens in Italien, wie der Antragsgegner vorträgt, auszusetzen bzw. die Unzuständigkeit festzustellen ist.

III. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 2 ZPO. Der Antragstellerin sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, da sie zwar obsiegt, dies jedoch nur, da sie ihren Verweisungsantrag verspätet gestellt hat. Bei rechtzeitige...

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