Leitsatz (amtlich)

Dass eine Formulierung in Bezug auf das Verhalten oder die Einstellung einer Partei zu einer bestimmten die Öffentlichkeit berührenden Frage (hier: Straflosigkeit von Abtreibungen) in den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung in Anführungszeichen gesetzt wird, stellt für sich genommen noch keine unsachliche oder unangemessene Ausdrucksform dar, die aus der Sicht einer vernünftigen Partei auf eine Voreingenommenheit des Richters ihr ggü. schließen lässt.

 

Normenkette

ZPO § 42

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Aktenzeichen 3 O 2438/01)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 25.03.2003; Aktenzeichen VI ZB 53/02)

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegen VorsRi.OLG Dr. S. und RiOLG Dr. H. wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Beklagte lehnt VorsRiOLG Dr. S. und RiOLG Dr. H. wegen der Besorgnis der Befangenheit ab, weil diese als Vorsitzende bzw. als Berichterstatter an einem Urteil des Senats vom 8.5.2002 in einem der vorliegenden Hauptsache vorausgehenden einstweiligen Verfügungsverfahren (Az. 4 U 5/02) mitgewirkt haben, welches folgende Formulierung enthält: „Dennoch ist der Beklagte nicht gehindert, unter Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit in einer die Öffentlichkeit berührenden Frage für seine Auffassung ‚weiter zu kämpfen', muss hierbei jedoch die Rechte Dritter berücksichtigen.” Der Beklagte hält die in Anführungszeichen gesetzte Formulierung „weiter zu kämpfen” für eine ironische Hervorhebung, durch welche zum Ausdruck komme, dass das Gericht sein Anliegen nicht ernst nehme.

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn eine Partei von ihrem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung die Befürchtung haben kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde (vgl. nur Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 42 ZPO Rz. 9).

Derartige Gründe, die vom Standpunkt des Beklagten aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung geeignet wären, Misstrauen gegen die Unvoreingenommenheit der VorsRiOLG Dr. S. und des RiOLG Dr. H. zu rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.

Die Auffassung des Beklagten, das Setzen einer bestimmten Formulierung in den Gründen des Senatsurteils vom 8.5.2002 in Anführungszeichen diene einer „ironischen Hervorhebung” und bringe zum Ausdruck, dass die abgelehnten Richter das Verhalten des Beklagten „entweder persönlich nicht ernst nehmen oder seine Sache nicht ernst nehmen” und dass dadurch eine „Herabsetzung des Beklagten” bewirkt werde, entbehrt einer objektiv nachvollziehbaren Grundlage. Zwar kann es einen die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Grund darstellen, wenn ein Richter durch eine unsachliche, abfällige, höhnische oder kränkende Wortwahl in der mündlichen Verhandlung, dem Schriftverkehr mit den Parteien oder auch in den Entscheidungsgründen eine negative Einstellung ggü. einer Partei zum Ausdruck bringt, was grundsätzlich auch bei einer unangebrachten ironischen Wortwahl der Fall sein kann (vgl. Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 42 ZPO Rz. 22, m.zahlr. Rsprnachw.). Eine derartige Formulierung ist vorliegend aber nicht gegeben.

Dass eine Formulierung in Bezug auf das Verhalten oder die Einstellung einer Partei zu einer bestimmten die Öffentlichkeit berührenden Frage (hier: Straflosigkeit von Abtreibungen) in den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung in Anführungszeichen gesetzt wird, stellt für sich genommen noch keine unsachliche oder unangemessene Ausdrucksform dar, die aus der Sicht einer vernünftigen Partei auf eine Voreingenommenheit des Richters ihr ggü. schließen lässt. Die in Anführungszeichen gesetzte Passage, wonach der Beklagte nicht gehindert sei, für seine Auffassung „weiter zu kämpfen”, muss nicht zwangsläufig von jedermann als „ironische Hervorhebung” verstanden werden, selbst wenn dies möglicherweise dem subjektiven Empfinden des Beklagten entsprechen mag. Auch wenn sich die Gerichte bei der schriftlichen Abfassung von Entscheidungsgründen selbstverständlich darum bemühen sollten, den grammatikalischen und orthographischen Regeln der deutschen Sprache zu entsprechen, besteht dennoch ein richterlicher Spielraum für die textliche Urteilsabfassung, der sich nicht auf die vom „Duden” oder anderen Grammatik- oder Wörterbüchern vorgegebenen Regeln beschränkt. Daher ist es keinesfalls zwingend, wie der Beklagte unter Bezugnahme auf den „Duden” behauptet, dass die in Anführungszeichen gesetzte Formulierung vorliegend nur als „ironisierende Hervorhebung” verstanden werden könne. Auch nach § 94 Ziff. (4) der „Amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung” (abgedr. in: Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 2000; im Internet unter „www.duden.de”) ist i.Ü. die Verwendung von Anführungszeichen für „Wörter oder Wortgruppen” erlaubt, die man „anders als sonst – etwa ironisch oder übertragen – versta...

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