Entscheidungsstichwort (Thema)

Statusverfahren zur Zusammensetzung des SE-Aufsichtsrats nach Beteiligungsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für ein Statusverfahren ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und damit die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 98 Abs. 1 AktG auch dann eröffnet, wenn ein Aktionär einer dualistisch geprägten SE die gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats beantragt, weil er die Wirksamkeit der Änderung einer Beteiligungsvereinbarung gem. § 21 SEAG in Frage stellt.

2. Ist die Frage nach der Wirksamkeit der Änderung der Beteiligungsvereinbarung nicht Gegenstand eines anhängigen Verfahrens vor dem Arbeitsgericht, so ist eine Aussetzung des Statusverfahrens nach § 21 FamFG nicht geboten. Das Landgericht hat diesen Gesichtspunkt als Vorfrage im Statusverfahren zu klären.

 

Normenkette

AktG § 98 Abs. 1; ArbGG § 2a Abs. 1, Nr. 3e; FamFG § 21; GVG § 17 Abs. 2, S. 1, § 17a; SE-VO Art. 9, Abs. 1; SEAG § 25; SEBG § 21

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 27.01.2020; Aktenzeichen 31 O 25/18 KfH AktG)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 31. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 27.1.2020, Az. 31 O 25/18 KfH, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: 16.500 EUR

 

Gründe

I Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin, bei der es sich um eine Gesellschaft in der Rechtsform der "SE" handelt.

Vor dem 13.11.2007 firmierte die Antragsgegnerin unter "P. Aktiengesellschaft" und hatte einen nach dem Mitbestimmungsgesetz paritätisch besetzten Aufsichtsrat mit 12 Mitgliedern. Zum 13.11.2007 wurde der gesamte operative Geschäftsbetrieb auf eine Tochtergesellschaft ausgegliedert, die Antragsgegnerin wurde in eine Europäische Aktiengesellschaft umgewandelt. Im Zuge des Formwechsels wurde ein besonderes Verhandlungsgremium gebildet, das mit dem Vorstand eine Mitbestimmungsvereinbarung abschloss. Danach war weiterhin eine paritätische Mitbestimmung des aus 12 Personen bestehenden Aufsichtsrats vorgesehen. Eine Kündigung der Vereinbarung war frühestens zum Ablauf von 10 Jahren nach Inkrafttreten möglich. Lediglich im Falle geplanter struktureller Veränderungen sollten auf Veranlassung des Vorstandes oder des SE-Betriebsrates Verhandlungen über eine Anpassung der Vereinbarung stattfinden.

Bis zum Ablauf der ordentlichen Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 30.5.2017 bestand der Aufsichtsrat aus zwölf Mitgliedern und war paritätisch besetzt.

Wohl im Jahr 2016 kündigte der Vorstand der Antragsgegnerin gegenüber dem SE-Betriebsrat an, die Mitbestimmungsvereinbarung zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt, also zum 22.6.2017 kündigen zu wollen. Daraufhin fanden Verhandlungen zwischen dem Vorstand und dem SE-Betriebsrat statt, die am 1.2.2017 zum Abschluss einer Aussetzungsvereinbarung führten. Ausweislich dieser Vereinbarung sollte die paritätische Besetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin mit Wirkung zum Schluss der ordentlichen Hauptversammlung 2017 oder jedenfalls zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausgesetzt werden. Ab dem Beendigungszeitpunkt sollte der Aufsichtsrat aus sechs von der Hauptversammlung zu wählenden Mitgliedern bestehen. Die Satzung sollte nach Durchführung des Statusverfahrens gem. §§ 97 ff. AktG entsprechend anzupassen sein.

Am 6.2.2017 veröffentlichte der Vorstand der Antragsgegnerin im Bundesanzeiger eine Bekanntmachung, wonach er der Ansicht sei, dass der Aufsichtsrat ab dem Ablauf der ordentlichen Hauptversammlung 2017 nicht mehr nach den für ihn maßgeblichen Vorschriften zusammengesetzt sei, sondern künftig aus sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner bestehe. Der Aufsichtsrat werde wie beschrieben zusammengesetzt, wenn nicht Antragsberechtigte innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung gem. § 98 Abs. 1 AktG das zuständige Landgericht anrufen.

Innerhalb der Monatsfrist wurde das Landgericht nicht angerufen.

Die ordentliche Hauptversammlung vom 30.5.2017 beschloss entsprechend der Aussetzungsvereinbarung eine Satzungsänderung dahingehend, dass sich der Aufsichtsrat nur noch aus sechs Mitgliedern der Anteilseigner zusammensetze. Die Satzungsänderung wurde am 6.6.2017 im Handelsregister eingetragen.

Durch eine 2018 beschlossene Satzungsänderung wurde die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auf 10 erhöht.

Am 23.10.2018 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin schriftlich mit, dass er den Aufsichtsrat für falsch besetzt und die Aussetzungsvereinbarung für nichtig halte.

Mit seinem am 2.11.2018 beim Landgericht eingegangenen Antrag begehrt der Antragsteller eine gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin gemäß § 98 Abs. 1, 2 Nr. 3 AktG mit dem Ziel der gerichtlichen Feststellung, dass dieser zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen sei.

Die Antragsgegnerin hat nunmehr die Verweisung des Verfahrens an das Arbeitsgericht Stuttgart und hil...

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