Leitsatz (amtlich)

Ein nach Ergehen eines Hinweisbeschlusses nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO für den Fall, dass der Spruchkörper an seiner darin geäußerten Auffassung festhalten sollte, gegen die mitwirkenden Richter gerichtetes Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig missbräuchlich und von den abgelehnten Richtern selbst zu verwerfen.

 

Normenkette

ZPO §§ 42, 44-45

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 24 O 179/12)

 

Tenor

1. Das gegen Vorsitzenden Richter am OLG Kaulig, Richter am OLG Andelfinger und Richter am OLG Dr. Mollenkopf gerichtete Ablehnungsgesuch der Klägerin wird als unzulässig verworfen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 2.11.2012 wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

4. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Streitwert der Berufung: 5.920,84 EUR

 

Gründe

I. Das aufgrund des nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO ergangenen Hinweises vom 11.3.2013 für den Fall, dass der Senat an seiner darin geäußerten Auffassung festhalten sollte, gegen Vorsitzenden Richter am OLG Kaulig, Richter am OLG Andelfinger und Richter am OLG Dr. Mollenkopf gerichtete Ablehnungsgesuch war als unzulässig zu verwerfen, wobei die abgelehnten Richter Vorsitzender Richter am OLG Kaulig und Richter am OLG Andelfinger zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufen waren, nicht hingegen Richter am OLG Dr. Mollenkopf. Er ist mit Ablauf des 31.3.2013 aus dem Senat ausgeschieden.

1. Aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens soll ein abgelehnter Richter in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert sein und ein aufwendiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren verhindert werden. Dabei soll das vereinfachte Ablehnungsverfahren nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern, wovon auszugehen ist, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Hingegen scheidet eine Ablehnung als unzulässig aus, wenn - auch nur geringfügiges - Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich ist. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen (BVerfG NJW 2007, 3771 und NJW 2005, 3410; Beschl. v. 11.3.2013 - 1 BvR 2853/11).

2. Das Ablehnungsgesuch der Klägerin ist offensichtlich unzulässig. Der Antrag wird für den Fall gestellt, dass der Senat an der im Hinweisbeschluss vom 11.3.2013 geäußerten Auffassung festhalten sollte. Ein Befangenheitsantrag kann jedoch nicht unter einer Bedingung gestellt werden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl., § 42 Rz. 5; BFH, Beschl. v. 18.10.1994 - VIII B 120/93, BFH/NV 1995, 687; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.9.2011 - L 34 SF 392/11, BeckRS 2011, 76535).

Prozesshandlungen müssen eindeutig und unbedingt vorgenommen werden. Von außerprozessualen Bedingungen können sie generell nicht abhängig gemacht werden. Innerprozessuale Bedingungen sind nur zulässig, wenn keine Unsicherheit in das Verfahren getragen wird (allgemein dazu Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., vor § 128 Rz. 20 mit Rechtsprechungsnachweisen). Insbesondere Prozesshandlungen, die unmittelbar auf die Verfahrenslage einwirken, können im Interesse der Rechtssicherheit auch nicht unter einer innerprozessualen Bedingung gestellt werden. Dazu zählt im Hinblick auf § 47 ZPO, wonach ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vornehmen darf, die keinen Aufschub gestatten, das Ablehnungsrecht (BFH, a.a.O.; LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; Beck'scher Online-Kommentar zur ZPO/Vossler, Stand 15.1.2013, § 44 Rz. 2).

3. Durch die Verknüpfung mit der Sachentscheidung in der Weise, dass die Richter abgelehnt sein sollen für den Fall, dass sie eine der Klägerin ungünstige Entscheidung treffen wollen, ist das Gesuch zudem rechtsmissbräuchlich. Ein Befangenheitsgesuch darf nicht dazu dienen, Richter, die zu einer konkreten Rechtsfrage eine dem Gesuchsteller missliebige Rechtsauffassung vertreten, aus dem Verfahren zu drängen (LSG Hessen MDR 1986, 436). Es ist nicht mit der Funktion des Ablehnungsgesuchs vereinbar, dieses einzusetzen, um Druck auf die zur Entscheidung berufenen Richter dahin auszuüben, dass sie in dem vom Antragsteller gewünschten Sinne verfahren (BFH, a.a.O.). Der Prozessgegner darf nicht der Willkür des Antragstellers ausgesetzt sein und hat ebenfalls Anspruch auf Einhaltung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG).

4. Damit ist die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch rein formaler Natur und von den noch dem Senat angehörenden abgelehnten Richtern selbst zu treffen, weil es dazu keiner Bewertung der Ablehnungsgründe bedarf (BVerfG, a.a.O.).

5. Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der gesetzlichen Vo...

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