Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Zumutbarkeit der Beleihung einer Kapitallebensversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Kapitallebensversicherung, die nicht im Rahmen eines staatlich geförderten Sparplans zum Aufbau einer zusätzlichen Altersversorgung angespart wird, ist kein i.S.v. § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII geschütztes Vermögen. Ihre Verwertung zur Zahlung von Prozesskosten ist grundsätzlich möglich. Der Einsatz solchen Vermögens stellt auch bei fortschreitender Krankheit mit erwartbarer, aber zeitlich nicht absehbarer Berufsunfähigkeit jedenfalls dann keine besondere Härte i.S.v. § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 3 SGB XII dar, wenn die Partei im Zeitpunkt der Entscheidung noch vollschichtig arbeitet und die anfallenden Prozesskosten im Verhältnis zum einsetzbaren Vermögen gering sind (hier: 5 %).

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 115 Abs. 3; SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Tuttlingen (Beschluss vom 06.12.2007; Aktenzeichen 2 F 389/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des AG - FamG - Tuttlingen vom 6.12.2007 (2 F 389/07) abgeändert:

Dem Antragsgegner wird Prozesskostenhilfe versagt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Staatskasse ist zulässig (§ 127 Abs. 3 ZPO) und begründet. Der Antragsgegner hat Vermögen, das er für die Zahlung der Prozesskosten einzusetzen hat. Die Rückkaufwerte seines durch Lebensversicherungen angesparten Vermögens betragen rund 27.600 EUR. Abzüglich des Schonvermögens verbleiben ihm rund 25.000 EUR einsetzbares Vermögen, von denen er die auf ihn entfallenden Kosten von rund 1.200 EUR ohne weiteres zahlen kann.

Die Verwertung ist ihm auch zumutbar. Die Versicherungen zählen nicht zu den staatlich geförderten Sparplänen wie die Riesterrente, deren Verwertung nicht Betracht käme (§ 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII). Angesichts des Verhältnisses zwischen dem vorhandenen Vermögen und dem zu zahlenden Betrag greift ebenfalls nicht § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 3 SGB XII, wonach Prozesskostenhilfe nicht vom Einsatz eines Vermögens abhängig gemacht werden darf, soweit dadurch der Aufbau einer angemessen Altersvorsorge erschwert würde. Die Sachlage ist auch nicht wegen der - allerdings nicht belegten - fortschreitenden Krankheit des Antragstellers anders zu beurteilen. Der Umstand, dass die Krankheit zur Berufsunfähigkeit des Antragsgegners führen mag, die durch die Lebensversicherungen abgedeckt werden soll, ändert daran nichts. Einerseits ist dieser Zustand noch nicht eingetreten, denn der Antragsgegner arbeitet noch vollschichtig. Andererseits gilt im Sozialhilferecht, dass der Bedürftige zunächst - abgesehen von den gesetzlich normierten Ausnahmen - alle verfügbaren eigenen Mittel einsetzen muss, bevor ihm staatliche Hilfe auf Kosten der Allgemeinheit zuteil werden können. Da Prozesskostenhilfe eine Form der Sozialhilfe ist, gilt dies auch hier.

Der Antragsgegner ist nicht verpflichtet, eine der Lebensversicherungen zu verkaufen. Er kann - das Vermögen schonend - auch eine Lebensversicherung mit einem Policendarlehen beleihen, das erst bei Vertragsablauf der Versicherung fällig und für den Fall, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt wird, durch Verrechnung mit der Leistung aus der Lebensversicherung getilgt wird (OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 2007, 1036).

 

Fundstellen

FamRZ 2008, 2290

Die Justiz 2009, 87

RENOpraxis 2009, 145

OLGR-Süd 2008, 931

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