Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen, wann der Gesundheitsschaden einer Person dem Verursacher eines Verkehrsunfalls haftungsrechtlich nicht zugerechnet werden kann, weil der Schaden nicht in den Schutzbereich des Gesetzes fällt, sondern als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos zu bewerten ist.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 823 Abs. 1-2; StVG § 7 Abs. 1; StVG § 18 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 04.04.2012; Aktenzeichen 27 O 50/12)

 

Tenor

1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 27. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 4.4.2012 - 27 O 50/12 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zur beabsichtigten Zurückweisung ihrer Berufung Stellung zu nehmen. Zugleich erhält sie Gelegenheit, zur Ersparnis weitere Kosten ihre Berufung zurückzunehmen.

Frist: 24.8.2012

Streitwert der Berufungsinstanz: 19.725,- EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldner den Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 14.12.2010. Die Beklagte Ziff. 1 war Fahrerin, die Beklagte Ziff. 2 ist die Haftpflichtversicherung des Unfallfahrzeugs.

Durch Urteil des LG Stuttgart vom 4.4.2012 wurde die Klage abgewiesen, weil die Gesundheitsschäden, die die Klägerin erlitten habe, den Beklagten haftungsrechtlich nicht zugerechnet werden könnten. Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Entgegen der Auffassung des LG Stuttgart bestehe ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verkehrsunfall vom 14.12.2010 und den Gesundheitsschäden, die sie erlitten habe, weil sie sich in den Räumen einer in der Nähe der Unfallstelle befindlichen Apotheke ruckartig umgedreht habe, nachdem sie von einer weiteren Kundin der Apotheke erfahren habe, dass jemand gegen ihr geparktes Fahrzeug gefahren sei und anschließend, ohne anzuhalten, weitergefahren sei. Durch dieses ruckartige Umdrehen habe sie im Bereich der Brustwirbelsäule rechts und links zwei Bandscheibenvorfälle erlitten.

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des LG Stuttgart vom 4.4.2012 wird abgeändert.

1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, jedoch i.H.v. noch mindestens 7.000,- EUR, nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.2.2011 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin einen Haushaltsführungsschadensersatz i.H.v. 10.725,- EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welcher dieser aus dem Vorfall vom 14.12.2010 noch entstehen, soweit Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen und verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

II. Der erkennende Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Eine Berufung ist offensichtlich aussichtslos, wenn für jeden Sachkundigen ohne längere Nachprüfung erkennbar ist, dass die vorgebrachten Berufungsgründe das angefochtene Urteil nicht zu Fall bringen können (hierzu und zum Folgenden BT-Drucks. 17/6406, Seite 9). Offensichtlichkeit setzt aber nicht voraus, dass die Aussichtslosigkeit gewissermaßen auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein. Entscheidend ist, dass der Senat die durch die Berufung aufgeworfenen Tat- und Rechtsfragen nicht nur einstimmig, sondern auch zweifelsfrei beantworten kann und sich von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine neuen Erkenntnisse verspricht.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die vom Senat zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Das LG Stuttgart hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin keine Ansprüche gegen die Beklagten auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens aufgrund des Verkehrsunfalls vom 14.12.2010 gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, § 115 VVG zustehen, da es jedenfalls an einem Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verkehrsunfall und den Gesundheitsschäden, die die Klägerin erlitten habe, fehlt.

1. Nach gefestigter Rechtsprechung ist ...

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