Leitsatz (amtlich)

Der Wegfall des Rentnerprivilegs nach § 101 Abs. 3 SGB VI a.F. führt nur in Ausnahmefällen zu einem Wegfall des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG, ist aber zugunsten des ausgleichspflichtigen Rentenbeziehers im Rahmen des § 18 VersAusglG zu beachten. Zur verfahrensrechtlichen Behandlung vergessener Anrechte in der Endentscheidung des Familiengerichts.

 

Normenkette

VersAusglG § § 18, § 27; FamFG § 43

 

Verfahrensgang

AG Nürtingen (Beschluss vom 02.11.2010; Aktenzeichen 21 F 958/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten R. H. gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Nürtingen vom 2.11.2010 - 21 F 958/09 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Beschwerde des Beteiligten R. H. wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Nürtingen vom 18.11.2010 - 21 F 958/09 abgeändert.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbands Baden-Württemberg - zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht i.H.v. 4,21 Versorgungspunkten, bezogen auf den 30.11.2009, übertragen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Beteiligten U. W. und R. H. gegeneinander aufgehoben.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 1.620 EUR

 

Gründe

I. Der am 5.4.1951 geborene Beteiligte R. H. und die am 15.5.1964 geborene Beteiligte U. H. haben am 10.12.1982 geheiratet. Sie leben seit dem 29.7.2009 getrennt, der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 2.12.2009 zugestellt.

Ehezeitbezogen hat der Antragsgegner Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 41,1442 Entgeltpunkten, bezogen auf den 30.11.2009, erworben. Die Antragstellerin hat ehezeitbezogen 13,0178 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung und 13,64 Versorgungspunkte (korrespondierender Kapitalwert 2172,53 EUR) bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg (ZVK) erworben.

Der Antragsgegner bezieht seit dem 1.5.2010 eine bis zum 30.11.2012 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. 1.390,99 EUR monatlich. Nach Abzug der Beiträge zu Kranken- und Rentenversicherung erhält er 1.253,98 EUR monatlich ausbezahlt.

Im Scheidungsverbundbeschluss vom 2.11.2010 hat das Familiengericht in Ziff. 2 lediglich die Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 6,5089 Entgeltpunkten zugunsten des Antragsgegners und i.H.v. 20,5721 Entgeltpunkten zugunsten der Antragstellerin ausgeglichen. Die Entscheidung wurde den Beteiligten am 08.11. und 9.11.2010 zugestellt. Am 17.11.2010 beantragte die ZVK telefonisch eine Entscheidung über die von der Antragstellerin bei ihr erworbenen Anwartschaften, deren Ausgleich sie in ihrer Auskunft vom 26.2.2010 nach Abzug von Teilungskosten von 211,39 EUR mit 4,21 Versorgungspunkten im Wege der internen Teilung vorgeschlagen hatte. Durch Beschluss vom 18.11.2010 "berichtigte" das Familiengericht den Beschluss vom 2.11.2010 dahingehend, dass es im Wege der "Ergänzung von Ziff. 2 des Beschlusses" anordnete, dass der Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der ZVK unterbleibt. Eine Begründung erfolgte nicht.

Der Antragsgegner greift die Regelung des Versorgungsausgleichs sowohl im Verbund- als auch im Berichtigungsbeschluss an. Er erstrebt den Ausschluss, hilfsweise die Aussetzung des Versorgungsausgleichs.

Die Antragstellerin beantragt Zurückweisung der Beschwerden.

II. Die Beschwerden sind form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Der Antragsgegner behauptet eine Beschwer durch den Ausgangsbeschluss dahingehend, dass der Versorgungsausgleich überhaupt durchgeführt wurde und nicht gem. § 27 VersAusglG ausgeschlossen wurde, hinsichtlich des Berichtigungsbeschlusses rügt er gem. § 42 Abs. 3 FamFG das Fehlen des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen.

Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 2.11.2010 ist unbegründet.

Zwar ist der angefochtene Beschluss insoweit unrichtig, als das Familiengericht lediglich die gesetzlichen Rentenanwartschaften der Eheleute ausgeglichen hat, ohne eine Entscheidung über den Ausgleich der Anwartschaften der Antragstellerin bei der ZVK zutreffen. Dies wird vom Beschwerdeführer jedoch nicht gerügt, vielmehr ist sein Beschwerdeziel insoweit der Ausschluss bzw. die Aussetzung des Versorgungsausgleichs insgesamt. Damit hat er in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre, was nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist.

Eine grobe Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall die rein schematische Durchführung des Wertausgleichs unter den besonderen Begebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanwartschaften zu gewähren, in unerträglicher Weise widerspräche (Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl., Rz. 13 zu § 27 VersAusglG unter Ve...

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