Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Wechselbezüglichkeit eines gemeinschaftlichen Testaments

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 2361 BGB verdrängt § 48 Abs. 1 FamFG mit der Folge, dass nach Erteilung eines Erbscheins nur noch dessen Einziehung nicht aber die Abänderung des Beschlusses über seine Erteilung in Betracht kommt.

2. Nach Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments kann eine inhaltlich von diesem abweichende letztwillige Verfügung des überlebenden Ehegatten, die mit der Feststellung erstellt wurde, es sei im gemeinschaftlichen Testament nicht festgelegt worden, ob der Überlebende das Testament später noch ändern und über das Vermögen frei verfügen könne, nicht als Indiz gegen die Wechselbezüglichkeit gewertet werden.

 

Normenkette

BGB §§ 2270, 2361; FamFG § 48

 

Verfahrensgang

AG Reutlingen (Beschluss vom 26.11.2016; Aktenzeichen 835 AR 798/18)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 gegen den Beschluss des Notariats Pfullingen II - Nachlassgericht - vom 26.11.2016, Az. II NG 189/2015, wird

zurückgewiesen.

2. Die Beteiligte Ziff. 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 140.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am XXX verstorbene Erblasserin war verwitwet. Ihr Ehemann XXX ist am XXX vorverstorben. Die Erblasserin hat keine Abkömmlinge hinterlassen.

Die Beteiligte Ziff. 1 ist eine Nichte der Erblasserin, die Beteiligten Ziff. 2 und 3 sind Neffen des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin.

Die Erblasserin und ihr Ehemann XXX haben am 25.02.1984 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament mit folgendem Wortlaut errichtet (Bl. 8 d.A.):

Köln, den 25.2.1984

Gemeinschaftliches Testament

Wir, die Eheleute XXX und XXX, setzen uns gegenseitig zu Alleinerben des Zuerstversterbenden ein. Meine Schwester, XXX, setze ich für den Fall meines Vorversterbens auf das Pflichtteil ein.

Erben des Zuletztversterbenden sollen

a) XXX

b) XXX

c) XXX

je zu 1/3 sein.

Köln, den 25.2.1984 ... (unleserlich) XXX (Ehemann)

Dies soll auch meine letztwillige Verfügung sein. Meine Schwestern, XXX, XXX ... (unleserlich), setze ich auf das Pflichtteil ein.

Köln, den 25.2.1984. XXX. (Ehefrau)

Am 17.12.2006, also nach dem Tod ihres Ehemannes, hat die Erblasserin ein weiteres privatschriftliches Testament mit folgendem Inhalt errichtet:

Testament

In unserem gemeinschaftlichen Testament vom 25.2.1984 wurde nicht festgelegt, ob der Überlebende das Testament später noch ändern und über das Vermögen frei verfügen kann. Ich verfüge heute, dass meine Nichte XXX, meine Alleinerbin wird.

Köln, den 17.12.2006 XXX

Am 10.02.2016 hat die Beteiligte Ziff. 1 zur Niederschrift des Notariats Pfullingen I - Nachlassgericht - die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach die Beteiligten Ziff. 1 bis 3 je mit einem Erbteil von 1/3 Erben der Erblasserin geworden sind. Dieser Erbschein wurde am 04.04.2016 erteilt.

Mit Schriftsatz an das Notariat Pfullingen I - Nachlassgericht - vom 05.09.2016 hat die Beteiligte Ziff. 1 folgende Anträge gestellt:

1. Der Beschluss des Notariats Pfullingen I - Nachlassgericht - vom 4. April 2016, Aktenzeichen I NG 189/2015, nach dem Tode der am XXX verstorbenen Frau XXX, zuletzt wohnhaft XXX, wird aufgehoben.

2. Der Erbschein des Notariats Pfullingen I - Nachlassgericht - vom 4. April 2016, Aktenzeichen I NG 189/2015, nach dem Tode der am 15. November 2015 in XXX verstorbenen Frau XXX, wird eingezogen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, der Erbschein sei unrichtig. Richtig sei vielmehr, dass die Beteiligte Ziff. 1 Alleinerbin der Erblasserin sei. Die Erblasserin habe sie durch das einseitige Testament vom 17.12.2006 als ihre Alleinerbin eingesetzt. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte für eine Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung im gemeinschaftlichen Testament der Eheleute Henn vom 27.05.1984. Es müsse davon ausgegangen werden, dass beide Eheleute davon ausgegangen seien, nach dem Tod des anderen Ehegatten letztwillig frei verfügen zu können. Im Testament der Erblasserin vom 17.12.2006 sei ausdrücklich festgehalten worden, dass in dem gemeinschaftlichen Testament vom 25.02.1984 nicht festgelegt worden sei, ob der Überlebende das Testament später noch ändern und über das Vermögen frei verfügen könne. Also hätten die Eheleute eben gerade keine Wechselbezüglichkeit / keine Bindungswirkung betreffend die Schlusserbeneinsetzung gewollt.

Die Beteiligten Ziff. 2 und 3 sind den Anträgen der Beteiligten Ziff. 1 entgegengetreten.

Durch Beschluss vom 24.11.2016 hat das Notariat Pfullingen II - Nachlassgericht - die Anträge der Beteiligten Ziff. 1 auf Aufhebung des Beschlusses vom 04.04.2016 und auf Einziehung des Erbscheins vom 04.04.2016 zurückgewiesen.

Gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 24.11.2016, hinsichtlich dessen ein Zustellnachweis bezogen auf die Beteiligte Ziff. 1 nicht bei den Akten ist, wendet sich die Beteiligte Ziff. 1 mit ihrer am 09.12.2016 beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass der erteilte Erbschein unrichtig und sie Alle...

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