Leitsatz (amtlich)

1. Lehnt das Gericht im selbständigen Beweisverfahren den Antrag auf - schriftliche oder mündliche - Erläuterung des erstatteten Gutachtens ab, ist dagegen die sofortige Beschwerde statthaft.

2. Nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens kann eine Anhörung des Sachverständigen oder Ergänzung des Gutachtens durch den Sachverständigen nicht mehr verlangt werden.

3. Haben die Parteien rechtzeitig Einwendungen gegen das im selbständigen Beweisverfahren erstattete Gutachten erhoben, ist - sofern nicht eine weitere Beweisaufnahme stattfindet - das selbständige Beweisverfahren jedenfalls dann beendet, wenn der mit der Beweisaufnahme befasste Richter zum Ausdruck bringt, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht stattfindet und dagegen innerhalb angemessener Frist keine Einwände erhoben werden (BGH NJW 2011, 594).

 

Normenkette

ZPO §§ 412, 411, 492

 

Verfahrensgang

LG S. (Beschluss vom 16.07.2013; Aktenzeichen 24 OH 6/12)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin Ziff. 1 gegen den Beschluss des LG S. vom 16.7.2013 - Az. 24 OH 6/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin Ziff. 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 77.400 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des vor dem LG S. geführten selbständigen Beweisverfahrens ist der Grad der Fertigstellung eines von den Antragsgegnern errichteten Wohngebäudes.

Am 17.12.2012 ging das aufgrund Beweisbeschlusses vom 20.4.2012 eingeholte schriftliche Sachverständigengutachten beim LG ein. Die den Beteiligten mit Übersendung des Gutachtens gesetzten Fristen wurden mehrfach verlängert, zuletzt bis 15.2.2013. Die beiden Antragsgegner brachten am 15.2.2013 Einwendungen gegen das Gutachten vor, worauf das LG mit Verfügung vom 18.2.2013 Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 3 Wochen gab, ob an den Sachverständigen ergänzende Fragen gerichtet werden sollten; andernfalls werde das Verfahren als abgeschlossen behandelt. Nachdem innerhalb der gesetzten Frist keine Reaktion erfolgte, kündigte das Gericht durch Verfügung vom 14.3.2013 an, dass beabsichtigt sei, den Streitwert auf 77.000 EUR festzusetzen; die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss vom 3.4.2013. Mit Schriftsatz vom 1.7.2013 brachte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin Ziff. 1 Fragen an den Sachverständigen vor und beantragte, dem Sachverständigen aufzugeben, diese in einem schriftlichen Ergänzungsgutachten zu beantworten.

Das LG wies durch den angefochtenen Beschluss vom 16.7.2013 den Antrag auf Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens mit der Begründung ab, dass das selbständige Beweisverfahren beendet sei, nachdem innerhalb der bis 15.2.2013 gesetzten Frist kein Antrag auf mündlichen Anhörung des Sachverständigen oder Einholung eines schriftlichen Ergänzungsgutachten gestellt worden sei. Durch Beschluss vom 30.7.2013 erfolgte eine Berichtigung des Beschluss vom 16.7.2013.

Am 31.7.2013 ging beim LG S. eine auch gegen die beiden Antragsgegner gerichtete Teilklage ein, die diesen auch zugestellt wurde (Az. 24 O 326/13). Mit dieser Teilklage machen die Antragsteller Ansprüche auf der Grundlage des im vorliegenden selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachtens geltend.

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer am 19.8.2013 beim LG eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 16.7.2013. Entgegen der Begründung des angefochtenen Beschlusses sei das selbständige Beweisverfahren nicht mit Ablauf der bis 15.2.2013 verlängerten Frist zur Stellungnahme zum Gutachten beendet gewesen. Denn das LG habe es versäumt, die Antragsgegner in unmissverständlicher Form auf die Folgen der Nichtbeachtung der gesetzten Fristen hinzuweisen, was nach der obergerichtlichen Rechtsprechung jedoch erforderlich sei. Die Antragsgegnerin Ziff. 1 beruft sich auf Entscheidungen des BGH (Urt. v. 22.5.2001 - VI ZR 268/00), des OLG Braunschweig (Beschl. v. 18.7.2012 - 8 W 33/12) und des OLG Celle (Beschl. v. 6.3.2009 - 16 W 19/09). Mit Schriftsatz vom 9.9.2013 brachte sie vor, dass sie mangels Eintragung im Handelsregister nicht passivlegitimiert sei. Die Vertretungsanzeige des Prozessbevollmächtigten und die Sach- und Rechtseinlassung seien wirksam, da sich der in der Antragsschrift genannte Geschäftsführer gegen das selbständige Beweisverfahren zur Wehr setzen können müsse. Angesichts des inzwischen rechtshängigen Klageverfahrens sei das selbständige Beweisverfahren nicht mehr zulässig.

Sie beantragt, den Beschluss des LG S. vom 16.7.2013 aufzuheben.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweisen auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses und darauf, dass sich die Antragsgegnerin selbst im Verfahren 24 O 326/13 vor dem LG S. als nicht existent bezeichne, da sie nicht im Handelsregister eingetragen sei. Im Übrigen sei das selbständige Beweisverfahren einzustellen, nachdem die Antragsteller inzwischen Teilklage erhoben haben.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen durc...

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