Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Urteil vom 14.07.2004; Aktenzeichen 2 O 185/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.04.2006; Aktenzeichen IX ZR 22/05)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 14.7.2004 verkündete Urteil des LG Neubrandenburg (Az.: 2 O 185/03) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe stellt.

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert der Berufung: 30.424,90 Euro.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten im Wege der Leistungsklage wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Insolvenzmasse auf Rückzahlung von 30.424,90 Euro in Anspruch.

Der Beklagte, seit dem 1.10.2002 Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der B.B. und T. GmbH, zeigte am 9.10.2002 Masseunzulänglichkeit an. Am 14.2.2003 überwies der Kläger einen Betrag von 30.424,90 Euro, der einem zu dieser Zeit bereits aufgelösten Bankkonto der Schuldnerin gutgeschrieben wurde. Einen Anspruch gegen den Kläger hatte die Schuldnerin nicht, vielmehr war der Betrag für die als Auffanggesellschaft gegründete B.I. und T. GmbH bestimmt. Den streitgegenständlichen Betrag legte der Beklagte auf einem besonderen Konto (Nr. ...) bei der Commerzbank an. Den Rückzahlungsanspruch des Klägers erkannte er als Masseverbindlichkeit an. Am 8.12.2003 zeigte er die Unzulänglichkeit der neuen Masse an; hiervon betroffen ist nur die Rückzahlungsforderung des Klägers, die vorliegend im Streit ist.

Mit Urt. v. 14.7.2004 verurteilte das LG Neubrandenburg den Beklagten, an den Kläger 30.424,90 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung führte es aus, bei der irrtümlichen Überweisung des Klägers handele es sich weder um eine Neumasse- noch um eine Altmasseverbindlichkeit, da keine Leistung an die Masse vorliege. Der Beklagte könne sich nicht auf die Masseunzulänglichkeit berufen. Sein Verhalten sei gem. § 242 BGB arglistig. Er hätte umgehend den Irrtum des Klägers korrigieren müssen.

Gegen das Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrages trägt er vor, bereits vor der streitgegenständlichen Überweisung habe die Insolvenzmasse nicht ausgereicht, um alle fälligen Neumasseverbindlichkeiten zu decken; hierzu verweist er auf seine Zwischenberichte v. 6.6.2003 und v. 5.12.2003. Der bereicherungsrechtliche Anspruch des Klägers gehöre zu den Masseverbindlichkeiten des § 209 InsO. Bereicherungsrechtliche Ansprüche seien in jedem Fall unabhängig von dem Zeitpunkt ihres Entstehens zu den Altmasseverbindlichkeiten zu zählen, da Neumasseverbindlichkeiten nur aus einem selbstbestimmten Handeln des Insolvenzverwalters resultieren könnten. Jedenfalls führe die erneute Anzeige der Masseunzulänglichkeit auch für Neumasseverbindlichkeiten dazu, dass der Gläubiger seine Forderung nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgen könne. Die Anzeige des Verwalters binde das Prozessgericht.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Neubrandenburg die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens meint er, der irrtümlich überwiesene Betrag sei wegen der gesonderten Anlage nicht zur Masse gelangt. Weiterhin bestreitet er die Unzulänglichkeit der Neumasse und behauptet, der Beklagte habe diese nur angezeigt, um den Anspruch des Klägers als des einzigen Neumassegläubigers zu vereiteln.

II. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das LG hat ihn im Ergebnis zu Recht zur Rückzahlung des am 14.2.2003 auf das Konto der Schuldnerin überwiesenen Betrages verurteilt.

1. Der Rückerstattungsanspruch des Klägers ist wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Masse gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zivilrechtlich begründet. Diesen Anspruch hat der Beklagte aus der Masse als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu erfüllen.

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die erste Unzulänglichkeitsanzeige nicht zur Folge, dass der danach entstandene Bereicherungsanspruch des Klägers als sonstige Masseverbindlichkeit i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO unter das Vollstreckungsverbot gem. § 210 InsO fällt und nicht mit der Leistungsklage verfolgt werden kann. Vielmehr hat der Beklagte den Bereicherungsanspruch des Klägers als Neumasseverbindlichkeit gem. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu berichtigen.

Das auf die erste Anzeige gestützte Vollstreckungsverbot (§ 210 InsO) steht weder der Leistungsklage noch der Verurteilung zur Zahlung entgegen. §§ 208 bis 210 InsO sind Regeln zur Fortführung des Insolvenzverfahrens trotz unzulänglicher Masse. Insbesondere bezweckt § 209 InsO, dem Insolvenzverwalter die Erfüllung seiner Abwicklungs- und Befriedigungsaufgaben zu ermöglichen, ggf. bei Betriebsfortführung oder Fortführung einzelner Verträge eine von der Altmasse getrennte Neumasse zu sammeln und Neumassegläubiger zu privilegieren. In § 209 Abs. 2 InsO kommt di...

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