Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbreitung einer Beleidigung in Telemedien: Unterschiedliche Verjährungsfristen bei Print- und Online-Medien in Mecklenburg-Vorpommern. Strafbarkeit der Verbreitung einer wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen straflosen Fremdäußerung

 

Normenkette

StGB § 11 Abs. 3, §§ 185, 193; PresseG MV §§ 6, 22 Abs. 1 Nr. 1; RdFunkStVtr MV 1991 § 55 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Schwerin (Entscheidung vom 27.04.2017; Aktenzeichen 111 Js 24133/11 (180) 38 Ls 307/13)

 

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft Schwerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwerin vom 27.04.2017, soweit dieses den Angeklagten P. betrifft, wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Schwerin hat den Angeklagten P. mit Urteil vom 27.04.2017 aus rechtlichen Gründen vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hielt die Präsidentin des Landtages am 28.06.2011 eine Rede zur Erinnerung an den 70. Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion. In einem Zwischenruf thematisierte der ehemalige Angeklagte und Landtagsabgeordnete der NPD Pa. die "Kulakenvernichtung" und den anschließenden "Hunger in der Sowjetunion". Wegen eines akustischen Missverständnisses ging die Präsidentin davon aus, dass in dem Zwischenruf des ehemaligen Angeklagten Pa. von einer "Polackenvernichtung" die Rede gewesen sei und schloss ihn deshalb von der laufenden Sitzung aus.

Gegenüber zwei Mitarbeitern der NPD kommentierte der ehemalige Angeklagte Pa. im unmittelbaren Anschluss an diese Maßnahme noch im Plenarsaal die Maßnahme der Präsidentin wie folgt: "Die Frau B. ist in ihrer Amtsführung und in ihrem geschichtlichem Wissen extrem einfach strukturiert. Sie ist zu unparteiischer Sitzungsleitung nicht fähig und missbraucht ihre Stellung als Landtagspräsidentin in einer unglaublich dreisten Art und Weise. Diese Frau hätte der nicht frei gewählten Volkskammer alle Ehre gemacht. In einem Landtag, der vorgibt demokratisch zu sein, hat eine solche Gesinnungsextremistin eigentlich nichts zu suchen."

Der Angeklagte P. veröffentlichte den Kommentar des ehemaligen Angeklagten Pa. auf der Internetseite www.mupinfo.de, für die er gemäß 55 Abs. 2 RStV als Verantwortlicher benannt war.

Durch Beschluss vom 20.03.2018 hat der Senat auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren gegen den ehemaligen Angeklagten Pa. gemäß § 206a StPO eingestellt, weil es für die in der Anklageschrift ihm zur Last gelegten Tat an einem Strafantrag der Präsidentin fehlte.

Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Sprungrevision zu Ungunsten des Angeklagten P. die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Schwerin. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel insoweit beigetreten.

II.

Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft hat in der Sache keinen Erfolg. Soweit das Amtsgericht den Angeklagten P. aus rechtlichen Gründen freigesprochen hat, ist dagegen aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

1.

Verfolgungsverjährung, die der Senat auf die Sachrüge hin von Amts wegen zu berücksichtigen hat (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20. Juli 1995 - 4St RR 4/95 -, Rn. 24, juris), ist nicht eingetreten.

Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 LPrG MV verjährt die Verfolgung von strafbaren Handlungen, die durch die Veröffentlichung oder Verbreitung von Druckwerken strafbaren Inhalts begangen werden, bei Verbrechen in einem Jahr und bei Vergehen in sechs Monaten. Die inkriminierte Internetseite, bei der es an einer stofflichen Verkörperung fehlt, ist nicht als Druckwerk i.S.v. § 6 Abs. 1 und 2 LPrG M-V zu qualifizieren. Gemäß § 6 Abs. 1 LPrG M-V sind Druckwerke alle mittels der Buchdruckerpresse oder eines sonstigen zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahrens hergestellten und zur Verbreitung bestimmten Schriften, besprochene Tonträger, bildliche Darstellungen mit und ohne Schrift und Musikalien mit Text oder Erläuterungen. Darunter fallen keine elektronischen Medien wie die von dem Angeklagten P. im Internet verbreitete Pressemitteilung des ehemaligen Angeklagten Pa..

§ 6 Abs. 2 LPrG M-V ist nicht einschlägig, weil der ehemalige Angeklagte Pa. nicht für die dort genannten Agenturen und Hilfsunternehmen der Presse tätig war.

Nicht verkörperte elektronische Publikationen unterfallen vielmehr dem Begriff der Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten i.S.v. § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV M-V (Löffler/Lehr, Presserecht, 6. Auflg., § 7 Rn. 36). Die presserechtliche Verjährungsfrist findet auf Inhaltsdelikte, die über Hörfunk und Telemedien verbreitet werden, in Mecklenburg-Vorpommern keine Anwendung, weil es an einer Verweisungsnorm fehlt. Die Landespressegesetze anderer Länder (vgl. etwa § 25 Satz 1 PresseG BW) haben das anders geregelt (vgl. die Übersicht in: Soehring/...

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