Leitsatz (amtlich)

Auch bei einer Abkürzung oder Verklausulierung des Götzzitates ist regelmäßig dessen gesamter Inhalt von der Äußerung umfasst.

Weder die ausdrückliche noch die lediglich abgekürzte bzw. verklausulierte Verwendung des Götzzitats enthält per se eine dem Tatbestand der Beleidigung unterfallende Herabsetzung der Persönlichkeit des Adressaten. Vielmehr kann der Wendung bei Berücksichtigung des Gesamtkontextes auch die Bedeutung, lediglich in Ruhe gelassen werden zu wollen, zukommen.

 

Normenkette

StGB § 185

 

Verfahrensgang

AG Aachen (Entscheidung vom 18.12.2019)

 

Tenor

Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils wird der Angeklagte freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

I.

Durch Urteil vom 18. Dezember 2019 hat das Amtsgericht Aachen den Angeklagten von dem Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Aachen mit dem angefochtenen Urteil das amtsgerichtliche Urteil dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 5,00 Euro verurteilt wurde.

Die Berufungsstrafkammer hat die nachfolgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

"Der Angeklagte verbüßt seit Juli 2018 für die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg (104 Js 13377/94) eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes mit anschließender Sicherungsverwahrung in der JVA A. Im Rahmen des Strafvollstreckungsverfahrens nahm Staatsanwalt als Gruppenleiter Dr. B, der bei der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg tätig ist, in einem Schreiben vom 09.01.2019, das er an das Landgericht Aachen gerichtet hatte, zum Vortrag der Verteidigerin des Angeklagten Stellung, wonach dem Angeklagten zu wenig Angebote gemacht worden seien, um die notierte für Sicherungsverwahrung vermeiden zu können. Dabei wurde der Angeklagte durch Staatsanwalt als Gruppenleiter Dr. B im Eingangssatz dieses Schreibens als "Verurteilter C" bezeichnet. Unter dem 20.01.2019 verfasste der Angeklagte ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft in Aschaffenburg, dort eingegangen am 24.01.2019, das folgenden Inhalt hatte:

Sehr geehrter Herr Dr. B,

gelobt sei Jesus Christus,

zu ihrer Information lautet mein Name D und nicht wie in ihrem Fax C. Mein Kommentar zu ihrer Epistel, ich möchte das Zitat von Götz von Berlichingen nicht verfälschen, aber sie wissen was sie mich dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

D

Der leitende Oberstaatsanwalt in Aschaffenburg stellte als Dienstvorgesetzter des Staatsanwalts (GL) Dr. B mit Schreiben vom 25.02.2019 wegen des Schreibens des Angeklagten vom 20.01.2019 Strafantrag."

Im Rahmen der Beweiswürdigung heißt es:

"Der Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf dahingehend eingelassen, dass er den handschriftlichen Brief an den Staatsanwalt als Gruppenleiter Dr. B mit dem festgestellten Inhalt verfasst und an die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg abgesendet habe. Er habe damit auf das Schreiben des Dr. B vom 09.01.2019 reagiert, in dem dieser ihn mit dem Nachnamen C bezeichnet habe. Darüber habe er sich aufgeregt. Sowieso halte er die regelmäßigen Gesprächsangebote und Mitwirkungsaufforderungen für Nötigung. Man habe ihn nach seiner Verurteilung 10 Jahre liegen gelassen und nunmehr werde er nach der Gesetzesänderung zur Sicherungsverwahrung regelmäßig zur Mitwirkung aufgefordert. Er habe aber mit allem abgeschlossen, für ihn sei klar, dass er nicht mehr in Freiheit komme, deshalb halte er die regelmäßigen Aufforderungen für überflüssig. Dass in dem Schreiben des Staatsanwaltes dann auch noch sein Name falsch geschrieben worden sei, habe ihn aufgeregt. (...)"

Zur rechtlichen Würdigung ist ausgeführt:

".(...) Die vom Angeklagten gegenüber in dem mit persönlichen Anrede versehenen Schreiben an den Staatsanwalt Dr. B bezogene Äußerung "Mein Kommentar zu ihrer Epistel, ich möchte das Zitat von Götz von Berlichingen nicht verfälschen, aber sie wissen was sie mich dürfen" ist die Äußerung eines Werturteils des Angeklagten über die Person des Herrn Dr. B, durch die der Angeklagte diesen in dessen beruflichen Funktion als Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg ansprach und dessen sittlichen, personalen oder sozialen Geltungswert in Abrede stellte. Ob eine Äußerung die Missachtung oder Nichtachtung einer anderen Person darstellt, ist durch Auslegung des objektiven Sinngehalts der Äußerung zu ermitteln. Ist eine Äußerung mehrdeutig, so hat sich das Gericht mit den verschiedenen Möglichkeiten der Deutung auseinanderzusetzen. Hierbei hat die Kammer grundsätzlich nicht verkannt, dass der letzte Halbsatz der vom Angeklagten getätigten Äußerung ("aber sie wissen, was sie mich dürfen") - für sich allein genommen - grundsätzlich aus den Worten heraus keinen negativen Bedeutungsinhalt hat; dieser ergibt sich nur durch Assoziation mit dem sog. Götz-Zitat. Dass diese Assoziation und damit der ehrverletzende Bedeutungsinhalt vom Angeklagten gewollt war, ergibt sich aber vorliegend zweifelsfrei daraus, dass...

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