Leitsatz (amtlich)

1. Wird in Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung Versicherungsschutz für die Betriebsschließung aufgrund meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne des IfSG gewährt und heißt es im Anschluss, "Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger...", ist dies dahingehend auszulegen, dass lediglich für diejenigen Krankheiten und Krankheitserreger Versicherungsschutz gewährt wird, die in §§ 6 und 7 IfSG im Einzelnen bezeichnet und aufgezählt sind, und dass diese Aufzählung abschließender Natur ist.

2. Für behördlich angeordnete Betriebsschließungen, die auf das Auftreten der Krankheit COVID-19 bzw. des Krankheitserregers SARS-CoV-2 gestützt sind, besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Vertrag vor der Aufnahme dieser Krankheit bzw. dieses Erregers in das IfSG mit Wirkung vom 23.05.2020 geschlossen oder die Betriebsschließung vor diesem Datum angeordnet wurde.

3. Die genannte Klausel verstößt nicht gegen § 307 BGB.

 

Normenkette

BGB § 305c Abs. 2, § 307; IfSG §§ 6-7

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Urteil vom 28.04.2021; Aktenzeichen 3 O 318/20)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 15.02.2023; Aktenzeichen IV ZR 21/22)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 28.04.2021, Az. 3 O 318/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 30.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit dem der Corona-Pandemie geschuldeten "Lockdown" im Frühjahr 2020.

Die Klägerin betreibt eine Gaststätte in N.. Dafür unterhält sie bei der beklagten Versicherung seit dem Jahr 2017 eine "Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe", der die "Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe BBSG 19" zugrunde liegen sollen (Anlage K 1, im Folgenden nur: AVB). Diese lauten u.a. wie folgt:

"1. Gegenstand der Versicherung

Ist der versicherte Betrieb von behördlichen Anordnungen (siehe Ziffer 3) aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) betroffen, ersetzt der Versicherer den dadurch entstehenden Schaden.

Die Versicherung umfasst Schäden und Kosten infolge behördlicher Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten (siehe Ziffer 3.1), Schäden und Kosten infolge behördlicher Anordnungen zu Vorräten und Waren (siehe Ziffer 3.2) sowie behördlich angeordnete Ermittlungs- und Beobachtungsmaßnahmen (siehe Ziffer 3.3).

(...)

3. Versicherte Gefahren und Schäden

3.1 Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten

Der Versicherer leistet bis zu den in Ziffer 9 genannten Entschädigungsgrenzen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Ziffer 3.4)

3.1.1 den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Ziffer 3.4 ganz oder teilweise schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebs oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt (Schließung); ein behördlich angeordnetes Verkaufsverbot von Speiseeis gilt für Eisdielen und Eiscafés auch als Betriebsschließung;

3.1.2 (...)

(...)

3.4 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1. d) IfSG.

3.5 Nicht versicherte Gefahren und Schäden

(...)

3.5.3 Der Versicherer haftet nicht

(1) (...)

(3) bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf;

(4) (...)

(...)

8. Entschädigungsberechnung

8.1 Entschädigungsberechnung Schließung

Der Versicherer ersetzt im Falle einer Schließung nach Ziffer 3.1.1 den entgehenden Gewinn aus dem Umsatz der hergestellten Erzeugnisse, der gehandelten Waren und der Dienstleistungen sowie die fortlaufenden Kosten bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Schließung wieder aufgehoben wird, höchstens bis zum Ablauf der vereinbarten Haftzeit.

Kosten werden nur ersetzt, sofern ihr Weiteraufwand rechtlich notwendig oder...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge