Entscheidungsstichwort (Thema)

Neubeginn der Verjährungsfrist bei Wegfall des Aussetzungsgrundes mit Erbscheinserteilung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Tod einer Partei lässt der auf Antrag ihres Bevollmächtigten ergangene Aussetzungsbeschluss die Unterbrechung der Verjährung (hier: durch Zustellung des Mahnbescheides) unberührt. Die Unterbrechungswirkung endet erst mit Wegfall des Aussetzungsgrundes. Bei Tod einer Partei fällt der Aussetzungsgrund weg, wenn die Erbfolge geklärt ist. Hiervon ist auszugehen, wenn der Erbschein erteilt wird und unangefochten bleibt.

 

Normenkette

BGB § 196 a.F., § 201 a.F., § 209 a.F., § 211 a.F.; ZPO §§ 239, 246, 250

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Urteil vom 05.07.1995; Aktenzeichen 7 O 143/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5.7.1995 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Stralsund - 7 O 143/95 - geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

A. Auf den Fall finden die Vorschriften in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung.

B. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

C. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein durchsetzbarer Werklohnanspruch aus §§ 631 Abs. 1, 398 BGB zu. Der Anspruch ist - nach Erlass des angefochtenen Urteils - verjährt (§ 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Zwar wurde mit Zustellung des Mahnbescheids am 21.12.1994 die Verjährung rechtzeitig unterbrochen (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Unterbrechungswirkung des mit Beschluss des 5. Zivilsenats vom 25.1.1996 gem. § 246 ZPO ausgesetzen Verfahrens dauerte jedoch nicht etwa bis zu der mit Schriftsatz der Klägerin vom 22.8.2005 erklärten Aufnahme des Verfahrens fort. Sie endete vielmehr am 31.1.1996 mit der Folge, dass die erneut in Lauf gesetzte Verjährungsfrist wegen Nichtbetreibens des Verfahrens (§ 211 Abs. 2 S. 1 BGB) am 31.1.1998 ablief.

1. Der Aussetzungsbeschluss selbst ließ die durch Zustellung des Mahnbescheids eingetretene Unterbrechung der Verjährung unberührt. Es ist allgemein anerkannt, dass auf eine vom Gericht beschlossene Aussetzung § 211 Abs. 2 BGB nicht anwendbar ist (BGH MDR 1989, 540; v. 21.1.1993 - I ZR 23/91, MDR 1993, 521; Soergel/Niedenführ, BGB, 13. Aufl., § 211 Rz. 7; Grothe in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 211 Rz. 9; Staudinger/Peters, BGB, 13. Aufl., § 204 Rz. 123). Dieser Auffassung ist jedenfalls für den Fall zuzustimmen, dass die Parteien wegen des Aussetzungsbeschlusses nicht die Möglichkeit haben, vor dem Wegfall des Aussetzungsgrundes die Fortsetzung des anhängigen Rechtsstreits zu erreichen (BGH MDR 1989, 540: Aussetzung nach § 148 ZPO). Denn dann beruht der Stillstand des Verfahrens nicht auf einer Untätigkeit der Parteien. Ob die allgemeine Auffassung auch bei Tod einer Partei im Anwaltsprozess trägt, mag hingegen zweifelhaft erscheinen. Der Rechtsnachfolger ist frei in seiner Entscheidung, den zur Beschlussfassung über eine Aussetzung erforderlichen Antrag durch seinen Bevollmächtigten stellen zu lassen (§ 246 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO). Stellt ihn der Gegner, kann er die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens erklären (§ 250 ZPO) und damit die Fortsetzung des Rechtsstreits erreichen.

2. Der Senat muss die aufgeworfene Frage jedoch nicht abschließend beurteilen. Der Anspruch der Klägerin ist jedenfalls deshalb verjährt, weil mit Erteilung des Erbscheins (31.1.1996) der Grund des Aussetzungsbeschlusses weggefallen und die Klägerin seitdem - bis zur Aufnahme des Verfahrens im August 2005 - untätig geblieben ist.

a) Dass mit Wegfall des Aussetzungsgrundes die neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt, ist nicht umstritten (vgl. die Nachweise zu 1.). Fraglich ist nur, welches der Grund ist, dessen Wegfall die Unterbrechung der Verjährung beendet und damit die Verjährungsfrist erneut in Lauf setzt. Der den Anlass zur Aussetzung gebende Tod einer Partei kann dies ebenso wenig sein wie die die Aussetzung beendende Erklärung der Aufnahme des Verfahrens. Der Grund für die Aussetzung bei Tod einer Partei entfällt vielmehr dann, wenn der mit ihr verfolgte Zweck erreicht ist. In den Fällen der §§ 239, 246 ZPO ist hiervon auszugehen, wenn die zunächst offene Frage der Rechtsnachfolge geklärt ist, so dass der Erbe über eine Fortsetzung des Prozesses entscheiden und sich der Bevollmächtigte des Verstorbenen ggf. vom Erben entsprechende Weisungen erteilen lassen kann (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 239 Rz. 1, § 246 Rz. 1; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 239 Rz. 1). Die Ungewissheit, wer Erbe ist, wird aber regelmäßig mit Erteilung des Erbscheins beseitigt. Denn dem Erbschein haftet die Vermutung seiner Richtigkeit an (§ 2365 BGB). Der Senat ist deshalb mit dem LAG Köln (LAG Köln, Urt. v. 4.3.2005 - 4 Sa 1198/04, n.v.) der Ansicht, dass jedenfalls in Fällen unstreitiger Erbfolge die Erteilung des Erbscheins den Aussetzungsgrund wegfallen lässt. Dem durch Erbschein ausgewiesenen Rechtsnachfolg...

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