Leitsatz (amtlich)

1. Der in den AGB eines gewerblichen KfZ-Vermieters dem Kunden eingeräumte Haftungsausschluss orientiert sich am Leitbild der Kaskoversicherung i.S.v. § 61 VVG. Der Haftungsausschluss entfällt nur, wenn der KfZ-Vermieter dem Mieter Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachweisen kann. Die Darlegungs- und Beweislast für das Verschulden des Mieters trägt der Vermieter.

2. Vom rein Tatsächlichen her sind Erfahrungsschlüsse auf innere Tatsachen, die den Vorwurf groben Verschuldens begründen, möglich. Allein aus dem Durchfahren eines um 1 Meter zu niedrigen Steintores lässt sich allerdings kein entspr. Erfahrungsschluss ziehen.

 

Normenkette

BGB § 276; VVG § 61

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Urteil vom 23.08.2003; Aktenzeichen 7 O 249/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Stralsund vom 23.8.2002 – 7 O 249/01 – geändert:

Das Versäumnisurteil vom 26.4.2002 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin mit Ausnahme der Kosten der Säumnis vom 26.4.2002, die den Beklagten als Gesamtschuldner auferlegt werden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 7.408,05 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen der Beschädigung eines gewerblich vermieteten Lastkraftwagens in Anspruch. Die Beklagten mieteten zur Durchführung eines Umzuges einen LKW Mercedes. Dem Vertrag lagen die auf dessen Rückseite abgedruckten allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zugrunde, die unter Ziff. IV. 2c und VII. eine Haftungsreduzierung zugunsten des Fahrzeugsmieters bis auf eine Selbstbeteiligung i.H.v. 2.000 DM enthalten. Diese greift nur in Fällen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadensfalles durch den Mieter nicht ein.

Der Beklagte zu 1) erhielt am 16.6.2000 gegen 06.00 Uhr die Fahrzeugschlüssel des Mietfahrzeuges, das einen Kofferaufbau mit einer Höhe von 3,50 m hat. Gegen 07.15 Uhr führte er den LKW auf der B 105 in der zweispurigen Ortsdurchfahrt in R.-D. aus Richtung R. auf der linken Spur durch das R.er Tor. Die rechte Fahrspur wird nicht durch einen Torbogen o.Ä. begrenzt. Das R.er Tor führt in einem gotischen Bogen durch einen massiven historischen Backsteinturm und weist aus der Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) gesehen zu beiden Seiten das StVO-Zeichen 165 „Durchfahrtshöhe” 2,50 m auf. In einiger Entfernung vor der sich gabelnden Ortsdurchfahrt befindet sich zudem auf der linken Straßenseite dasselbe Hinweisschild. Der Beklagte zu 1) blieb mit dem LKW aufgrund der für das Fahrzeug zu geringen Durchfahrtshöhe in dem Tor stecken, wobei das Fahrzeug am Führerhaus und am Kofferaufbau erheblich beschädigt wurde. Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, aus welchem Grund der Beklagte zu 1) die linke Fahrspur wählte, ob er einem Fahrradfahrer ausweichen musste und ob ihm die Sicht durch ein vorausfahrendes größeres Fahrzeug verdeckt war.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagten könnten sich nicht auf die vertraglich vereinbarte Haftungsreduzierung berufen, weil der Beklagte zu 1) den Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Die Klägerin hat erstinstanzlich Sachschäden und entgangenen Gewinn i.H.v. 7.408,05 Euro nebst Zinsen geltend gemacht. Das LG hat die Beklagten gesamtschuldnerisch antragsgemäß verurteilt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Urteil des LG Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten, mit der sie Aufhebung des Versäumnisurteils und Klageabweisung erstreben.

Zur Begründung tragen sie vor: Das LG habe zu Unrecht grobe Fahrlässigkeit des Beklagten zu 1) bejaht. Der ihm anzulastende Sorgfaltspflichtverstoß sei nicht in subjektiver Hinsicht schlechthin unverständlich. Allein das Einfahren mit dem LKW in das R.er Tor stelle keine grob fahrlässige Verletzung des in § 41 Abs. 2, 6, 265 StVO angeordneten Verbots der Einfahrt für Fahrzeuge mit einer Höhe von 2 1/2 m dar. Erfahrungsgemäß falle es Personen, die in der Regel nur Personenkraftwagen benutzten, beim Führen eines Lastkraftwagens nicht immer leicht, während der Fahrt an die höheren Aufbauten dieses Fahrzeuges zu denken. Beim Durchfahren von Unterführungen bezögen sie deshalb die Hinweise nur auf eine begrenzte Höhe der Durchfahrt, vielfach nicht auf sich selbst. Der Beklagte zu 1) habe sich in einer Stresssituation befunden. Er habe den Umzug seiner Schwester zu bewältigen gehabt, sowie den eigenen Umzug. Die Strecke sei ihm nicht bekannt gewesen. Er sei arbeitslos und gerade aus Dänemark zugezogen gewesen. Zuvor habe er in Lübeck gewohnt. Eine Einweisung durch die Klägerin sei nicht erfolgt. Die Klägerin habe nicht deutlich sichtbar hinter der Windschutzscheibe ein Hinweisschild auf die Fahrzeughöhe angebracht. Der Beklagte zu 1) habe sich auf ein paar hundert Metern Fahrstrecke mit dem Fahrzeug vertraut machen müssen, einem Fahrradfahrer ausweichen, die Höhe des Fahrzeuges präs...

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