Leitsatz (amtlich)

Wird ein Erstattungsanspruch für außergerichtliche Kosten, die bei der Abwehr einer Hauptforderung der Gegenseite entstanden sind, im Wege der Widerklage gegen die eingeklagte Hauptforderung geltend gemacht, handelt es sich insoweit nicht um eine Nebenforderung, sondern ist bei der Bemessung des Streitwerts entsprechend zu berücksichtigen.

 

Normenkette

ZPO § 4; GKG § 45 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Beschluss vom 23.09.2010; Aktenzeichen 1 S 24/10)

AG Ribnitz-Damgarten (Aktenzeichen 1 C 262/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Prozessbevollmächtigten der Parteien wird der Streitwertbeschluss des LG Stralsund - 1 S 24/10 - vom 23.9.2010 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 6.10.2010 geändert:

Der Streitwert für die erste und die zweite Instanz wird auf 5.127,99 EUR (Klage: 4.716,69 EUR + Widerklage: 411,30 EUR) festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Prozessbevollmächtigten beider Parteien begehren mit ihren jeweils im eigenen Namen eingelegten Beschwerden die Erhöhung des durch die Berufungskammer des LG Stralsund mit Beschluss vom 23.9.2010 festgesetzten Streitwerts für das erstinstanzliche und das Berufungsverfahren.

Die Klägerin hatte vor dem AG von dem Beklagten die Zahlung restlichen Kaufpreises für einen Pkw i.H.v. 4.716,69 EUR sowie außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 546,69 EUR, jeweils nebst Zinsen, gefordert. Der Beklagte hatte eine Zahlungsverpflichtung bestritten und seinerseits im Wege der Widerklage von der Klägerin die Erstattung der ihm - zur vorprozessualen Abwehr der klägerischen Forderung - entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 411,30 EUR nebst Zinsen verlangt.

Das AG hatte mit Urteil vom 21.1.2010 der Klage antragsgemäß stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen hatte der Beklagte Berufung eingelegt, mit der er seine ursprünglichen Anträge - Klageabweisung und Verurteilung der Klägerin im Umfang der Widerklage - weiter verfolgte.

Im Verhandlungstermin vor der Berufungskammer am 23.9.2010 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach der Beklagte zum Ausgleich der Klageforderung und der Widerklageforderung einen Betrag von 3.500 EUR an die Klägerin zahlte und die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu 2/3 trug, während die Klägerin hiervon 1/3 übernahm.

Den Streitwert für das Verfahren erster und zweiter Instanz setzte die Kammer durch noch in der Verhandlung verkündeten Beschluss auf bis zu 5.000 EUR fest. Hiergegen legten die Prozessbevollmächtigten beider Parteien jeweils Beschwerde ein, und zwar die Beklagtenvertreter mit am 23.9.2010 eingegangenem Schriftsatz von diesem Tag und die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.9.2010, ebenfalls eingegangen am selben Tag. Beide Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, der Streitwert belaufe sich auf die Summe aus Klage- und Widerklageforderung und damit auf 5.127,99 EUR.

Das LG hat den Beschwerden mit Beschluss vom 6.10.2010 nicht abgeholfen und wegen der grundsätzlichen Bedeutung "gem. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG" die Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, nach allgemeiner Ansicht erhöhten vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruchs den Gebührenstreitwert nicht. Entsprechendes müsse für vorgerichtliche Kosten des Beklagten gelten, die er aufgewandt habe, um den Hauptanspruch abzuwehren, und die er widerklagend geltend mache, denn auch diese Forderung stehe in einer materiell-rechtlichen Abhängigkeit zum Hauptanspruch.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind dem u.a. unter Hinweis auf § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG, dessen Voraussetzungen hier gegeben seien, entgegen getreten.

II. Die zulässigen Beschwerden sind begründet und führen zu der begehrten Änderung des Streitwertes.

1. Die von den Prozessbevollmächtigten im eigenem Namen eingelegten Beschwerden sind jeweils gem. § 68 Abs. 1 GKG, § 32 Abs. 2 RVG statthaft, nachdem das LG die Beschwerde wegen der besonderen Bedeutung ausdrücklich nach (gemeint ist wohl) § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zugelassen hat. Die Beschwerden sind auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.

Dem steht § 567 Abs. 1 ZPO nicht entgegen, da für das vorliegende Streitwertbeschwerde-Verfahren § 68 GKG als lex specialis gilt (OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 - 3 W 78/06, OLGReport Rostock 2006, 1004, Tz. 6 f. nach juris; OLG Zweibrücken, Beschluss vom [richtig:] 3.9.2009 - 7 W 57/09, JurBüro 2010, 36, Tz. 1 nach juris; OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.1.2012 - 13 W 38/11, ZWE 2012, 136, Tz. 7 nach juris, jeweils m.w.N.).

Über die Beschwerden hat das OLG zu befinden (vgl. die vorgenannten Zitate aus der Rechtsprechung sowie Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rz. 9; vgl. auch BGH, Beschl. v. 10.7.2007 - VIII ZB 27/07, MDR 2007, 1285, Tz. 4 nach juris), und zwar in seiner vollen Besetzung nach § 122 Abs. 1 GVG, da auch die Berufungskammer in der Besetzung nach dem Gerichtsverfassungsgericht entschieden und die Sache ausdrücklich nicht gem. § 526 Abs. 1 ZPO ...

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