Entscheidungsstichwort (Thema)

Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts; Zuständigkeit bei Berufung in einen Fall mit Auslandsberührung

 

Normenkette

GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Beschluss vom 16.10.2003; Aktenzeichen 8 S 244/03)

AG Wolgast (Urteil vom 27.09.2002; Aktenzeichen 1 C 745/01)

 

Tenor

I. Der Antrag des Beklagten und Berufungsklägers, ihm gegen die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.

II. Die Berufung des Beklagten und Berufungsklägers gegen das am 27.9.2002 verkündete Urteil des AG Wolgast (Az.: 1 C 745/01) wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

III. Die Beschwerde der Klägerin vom 29.10.2003 gegen den Beschluss des LG Stralsund vom 16.10.2003 (Az.: 8 S 244/03) wird für gegenstandslos erklärt.

IV. Streitwert des Berufungsverfahrens: 3.145,48 EUR.

 

Gründe

I. Mit Urteil vom 27.9.2002 verurteilte das AG Wolgast (Az.: 1 C 745/01) den Beklagten zur Zahlung eines Betrages i.H.v. 3.145,48 EUR an die Klägerin. Begründend führte das AG an, die Klägerin, eine offene Handelsgesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in P. (Italien), habe gegen den Beklagten, den Mitinhaber einer Pizzeria, einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2 BGB) aus einem durch einen Handelsvertreter vermittelten Geschäft über den Erwerb eines Pizzabackofens und 2 Teigmaschinen, auf welches deutsches Recht Anwendung finde.

Gegen dieses Urteil, ihm zugestellt am 1.10.2002 (GA 91), legte der Beklagte unter dem 1.11.2002, eingegangen bei Gericht am gleichen Tage, Berufung zum LG Stralsund ein (GA 94) und begründete diese mit Schriftsatz vom 2.12.2002 (GA 102 ff.), ebenfalls eingereicht bei Gericht noch am gleichen Tage. Der Beklagte stellte das Urteil des AG vollen Umfangs zur Überprüfung und beantragte Klageabweisung. Die Klägerin ihrerseits beantragte mit der Berufungserwiderung vom 9.1.2003 (GA 118) die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Mit Berufung vom 3.3.2003 (GA 130) beraumte das LG Stralsund Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer an. In diesem Termin, in dem die Parteivertreter ihre jeweiligen Prozessanträge stellten, kündigte die Kammer nach Erörterung der Sach- und Rechtslage an, ein Schriftsachverständigengutachten einholen zu wollen (und ggf. noch eine Zeugenvernehmung vorzunehmen) (vgl. Sitzungsprotokoll v. 15.5.2003, GA 145 f.). Entsprechend erging im Anschluss an die mündliche Verhandlung unter dem 28.5.2003 (GA 148 ff.) ein Beweisbeschluss. Nachdem der der Klägerin auferlegte Kostenvorschuss - zur Einholung des Gutachtens - nicht fristgemäß eingezahlt wurde, beraumte das LG (mit Verfügung v. 4.9.2003, GA 159) erneut Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer für den 8.10.2003 an.

Mit Schriftsatz vom 12.9.2003, eingegangen beim LG am 16.9.2003, rügte die Klägerin (erstmals) unter Hinweis auf § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GVG die Zuständigkeit des LG Stralsund. Vielmehr ergebe sich danach eine solche des OLG Rostock. Da die Berufung - innerhalb der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist - aber nicht zum OLG hin erhoben worden sei, sei sie - so trug die Klägerin vor - durch das LG als unzulässig zu verwerfen. Mit richterlicher Verfügung vom 17.9.2003, ausgeführt am 18.9.2003, ließ das LG diesen Schriftsatz an den Beklagtenvertreter zustellen (GA 169).

Gegen diese Rechtsmeinung der Klägerin wandte sich seinerseits der Beklagte und beantragte (hilfsweise), die Verweisung des Rechtsstreits durch das LG an das OLG Rostock in analoger Anwendung von § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO (GA 176).

Entsprechend erkannte das LG Stralsund - nach Gewährung rechtlichen Gehörs für die Klägerin - durch Beschluss vom 16.10.2003, in dem es sich für funktionell unzuständig erklärte und den Rechtsstreit auf Antrag des Beklagten in entsprechender Anwendung von § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO an das OLG Rostock verwies. Zur Begründung führte die Kammer aus, da die Klägerin ihren Sitz unbestritten stets, also auch im Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift, in Italien hatte, sei gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG i.d.F. des Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Reform des Zivilprozessses vom 27.7.2001 (BGBl. I, 1887 ff.) gegen die Entscheidung des AG - in einer Sache mit Auslandsberührung - seit dem 1.1.2002 die Zuständigkeit des OLG gegeben. Die Klägerin habe schon in ihrer Klageschrift dargelegt, dass es sich bei ihr um eine offene Handelsgesellschaft handele, die ihren Sitz in Italien habe. Dem sei der Beklagte auch erstinstanzlich nie entgegengetreten. Erst mit Schriftsatz vom 1.10.2003 habe er den Vortrag der Klägerin in Abrede genommen. Sein Bestreiten sei jedoch sowohl verspätet als auch mutwillig. Denn der gesamte vorprozessuale Schriftwechsel weise als Sitz der Klägerin das Land Italien aus. Es sei nicht ersichtlich, wo anders als in Italien die Klägerin ihren Sitz haben solle, jedenfalls zweifelsfrei nicht in Deutschland.

Da die mündliche Verhandlung vor dem AG nach In-Kraft-Treten von § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG geschlossen worden sei, habe ...

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