Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG (Rechtsmissbrauch)

 

Normenkette

UWG § 8 Abs. 4 S. 1

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 29.10.2019, Az.: 6 HK O 2/19, gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

Ob das Landgericht - das die Klage als unzulässig abgewiesen hat - die Klagebefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zurecht verneint hat, kann offenbleiben. Die Klage stellt sich nach dem Akteninhalt als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG dar. Sie ist daher jedenfalls aus diesem Grunde unzulässig (BGH, Urteil vom 31.05.2012 - I ZR 106/10, WRP 2013, 336 = NJW 2013, 787 [Juris; Tz. 16]; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.3, m.w.N.). Für die beabsichtigte Beschlusszurückweisung reicht es in jedem Fall aus, dass sich die angefochtene Entscheidung als jedenfalls im Ergebnis richtig erweist, auch wenn das Berufungsgericht sich auf andere Gesichtspunkte stützt als die Vorinstanz (OLG Rostock, Beschluss vom 07.04.2003 - 6 U 14/03, MDR 2003, 828 [Juris; Tz. 13]; MüKoZPO/Rimmelspacher, 05. Aufl. 2016, § 522 Rn. 21; Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 522 Rn. 36, m.w.N.).

1. Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs in sachfremden, für sich genommen nicht schutzwürdigen Interessen und Zielen besteht, die als eigentliche Triebfeder der Verfahrenseinleitung erscheinen. Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelfallumstände (BGH, Urteil vom 04.07.2019 - I ZR 149/18, GRUR 2019, 966 [Juris; Tz. 33]; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.10, m.w.N.). Für sich genommen nicht ausreichend ist, wenn ein Verband gegen außenstehende Dritte vorgeht, den unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder jedoch duldet. Dies gilt insbesondere, wenn der Verband, der die Frage der Wettbewerbswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens höchstrichterlich klären lassen will, zunächst gegen einen Dritten und nicht gegen ein eigenes Mitglied gerichtlich vorgeht. Eine unzumutbare Benachteiligung des (allein) angegriffenen Verletzers gegenüber anderen - etwa deshalb, weil nunmehr allein er die angegriffenen Handlungen unterlassen müsste - ist darin in der Regel schon deshalb nicht zu sehen, weil es dem Verletzer offensteht, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner von dem Verband nicht angegriffenen Mitbewerber vorzugehen (BGH, Urteil vom 12.12.1996 - I ZR 7/94, GRUR 1997, 537 [Juris; Tz. 18]). Demgegenüber ist es rechtsmissbräuchlich, wenn der Verband mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung gewährt (BGH, Urteil vom 17.08.2011 - I ZR 148/10, GRUR 2012, 411 [Juris; Tz. 21 ff.]; OLG Celle, Urteil vom 26.03.2020 - 13 U 73/19 [Juris; Tz. 51]; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.21, m.w.N.).

2. Nach diesen Maßstäben geht der Senat hier von der Rechtsmissbräuchlichkeit der Klageerhebung aus.

a) Anders als in dem kürzlich abgeschlossenen Berufungsverfahren 2 U 5/19 - vergleiche den dortigen Beschluss vom 20.05.2020 bzw. 31.08.2020, mit dem der Senat bezüglich des dortigen wie hiesigen Klägers Rechtsmissbrauch bejaht hat - hat der Kläger vorliegend zwar die Abmahnung (K 18) ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts selbst vorgenommen. Er hat hier also keine zusätzlichen bzw. gegenüber der eigenen Abmahnpauschale im Zweifel höheren (Anwalts-) Kosten ausgelöst, die vor dem Hintergrund der vom Kläger für sich in Anspruch genommen besonderen Sachkunde auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts unnötig erscheinen würden und den Schluss nahelegen könnten, die Abmahnung sei von dem Interesse getragen, den Abgemahnten mit möglichst hohen Kosten zu belasten, was tendenziell für Rechtsmissbrauch spräche (Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.13).

Es ergibt sich aber nach Aktenlage insgesamt - ebenso wie in dem Verfahren 2 U 5/19 - das Bild, dass der Kläger eigene Mitglieder gezielt von seiner Abmahntätigkeit ausspart. Das gilt auch unter Berücksichtigung der im Prinzip dem Kläger insofern günstigen Beweislastverteilung. Im Ausgangspunkt trifft di...

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