Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsätzliche Verkehrsordnungswidrigkeit

 

Verfahrensgang

AG Parchim (Entscheidung vom 01.04.2015; Aktenzeichen 5 OWI 2431/15)

 

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Schwerin wird das Urteil des vormaligen Amtsgerichts Parchim vom 01.04.2015 - 5 OWi 2431/14 - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Ludwigslust - Zweigstelle Parchim - zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Landrat des Landkreises Ludwigslust-Parchim hat gegen den bereits vielfach verkehrsordnungsrechtlich in Erscheinung getretenen Betroffenen wegen einer am 31.01.2014 - nach Einschätzung der Verkehrsordnungsbehörde lediglich fahrlässig - begangenen Überschreitung der innerorts an der näher bezeichneten Messstelle in Boizenburg zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um vorwerfbare 40 km/h mit Bußgeldbescheid vom 31.03.2014 eine Geldbuße in Höhe von 320,00 Euro sowie das einmonatige Regelfahrverbot verhängt (Ordnungswidrigkeit gem. §§ 24, 25 StVG i.V.m. § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 StVO, Nr, 11.3.6 BKatV). Die Regelgeldbuße ist dabei wegen fünf zu berücksichtigender Voreintragungen um 160,00 Euro erhöht worden.

Auf seinen hiergegen gerichteten form- und fristgerechten Einspruch hat das Amtsgericht den Betroffenen mit Urteil vom 01.04.2015 mit der Begründung freigesprochen, die dem Verfahren zugrundeliegenden Rohmessdaten der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage seien rechtlich unzulässig von einem Privatunternehmen im Rahmen eines mit dem Landkreis abgeschlossenen Dienstleistungsvertrages ausgewertet und anschließend nur die aus den Rohdaten extrahierten Lichtbilder (Fahrzeug nebst (vergrößertem) Kennzeichen, Foto des Fahrzeugführers) und die darauf eingeblendete Datenleiste mit den Angaben zur Tatzeit, der gemessenen Geschwindigkeit und dem angewandten Messverfahren in Form einer JPEG-Datei an den Landkreis rückübermittelt und die Ausdrucke der Bilddateien dann als einziges Beweismittel in das Verfahren eingeführt worden.

Gegen das freisprechende Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft Schwerin mit ihrer auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde, die von der Generalstaatsanwaltschaft mit Zuschrift vom 12.10.2015 vertreten wird. Die Verteidigung des Betroffenen ist dem Rechtsmittel mit Gegenerklärung vom 07.08.2015 entgegengetreten. Zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft hat sie unter dem 11.11.2015 eine Gegenäußerung abgegeben.

II.

Die statthafte und zulässig angebrachte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat mit der erhobenen Aufklärungsrüge umfassenden Erfolg, weshalb es eines Eingehens auf die weitere Verfahrensbeanstandung und auf die ebenfalls erhobene allgemeine Sachrüge nicht bedarf.

1. Die Aufklärungsrüge genügt entgegen der Auffassung der Verteidigung noch den Anforderungen des § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

Der Gesamtheit der auslegungsbedürftigen und -fähigen Rügebegründung ist zu entnehmen, dass es das Gericht zur Überzeugung der Staatsanwaltschaft rechtsfehlerhaft unterlassen hat, durch Anforderung und erneute, ggf. sachverständige Auswertung der weiterhin beim Landkreis vorhandenen Rohdaten die dem Betroffenen vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung prozessordnungsgemäß aufzuklären (Seite 5, 3. Absatz der Rechtsbeschwerdebegründung = Bl. 89 d.A.; ebenso a.a.O. Seite 4 f. = Bl. 88 f. d.A.), was andernfalls "sowohl auf Grundlage der konvertierten wie auch auf der Grundlage der 'Original'-Rohdaten (zu) eine(r) dem Tatvorwurf entsprechende(n) Verurteilung" des Betroffen hätte führen "können und müssen" (a.a.O. Seite 5. 2. Absatz = Bl. 89 d.A.).

Damit liegen sowohl eine klare Beweisbehauptung (der Betroffene habe die ihm im Bußgeldbescheid vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung so begangen) wie auch die Bezeichnung des vom Gericht fehlerhaft nicht benutzten Beweismittels (die weiterhin vorhandenen Rohdaten und deren mögliche erneute Auswertung, notfalls durch einen Sachverständigen) vor. Auch wird das Ergebnis der unterbliebenen Beweiserhebung mit der notwendigen Bestimmtheit mitgeteilt, nämlich dass dann erwiesen worden wäre, dass sich der dem Betroffenen vorgeworfene Verkehrsverstoß im Tatsächlichen so ereignet hat wie im Bußgeldbescheid beschrieben.

Dass sich dem Gericht diese unterbliebene Beweiserhebung aufdrängen musste, ist offensichtlich. Der Senat entnimmt den ihm auf die Sachrüge hin zugänglichen Urteilsgründen, dass der Tatrichter lediglich von einem Beweisverwertungsverbot bezüglich der aufbereiteten Messdaten ausgegangen ist, weil der Landkreis die Auswertung der an der Messstelle von der Verkehrsüberwachungsanlage erhobenen Rohmessdaten "erlasswidrig" und ohne eigene Kontrollmöglichkeit exklusiv einem privaten Dienstleistungsanbieter übertragen habe. Selbst wenn diese Rechtsauffassung zutreffen sollte, ergibt sich daraus nicht, warum das Gericht dann nicht im...

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