Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Rechtsanwalt die Kündigung eines geschlossenen Anwaltsvertrages durch vertragswidriges Verhalten veranlasst und muss der Auftraggeber des Rechtsanwalts einen anderen Prozessbevollmächtigten neu bestellen, für den die gleichen Gebühren nochmals entstehen, führt dies zum Untergang des Vergütungsanspruchs des erstbeauftragten Anwalts, ohne dass es einer Aufrechnung des Auftraggebers mit Gegenforderungen bedarf.

2. Der Rechtsanwalt vermag seine Anwaltspflichten bereits dadurch zu verletzen, wenn er der Bitte seines Mandanten um einen Besprechungstermin nicht nachkommt und untätig bleibt.

3. Nach den allgemeinen Regeln trifft den Dienstberechtigten die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Dienstverpflichtete die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten veranlasst hat und dass das Interesse an dessen bisherigen Leistungen entfallen ist.

 

Verfahrensgang

LG Rostock (Aktenzeichen 4 O 206/07)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin vom 8.7.2008, ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Der Antrag der Klägerin vom 8.7.2008, ihr für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zurückzuweisen.

Gemäß § 114 ZPO ist Prozesskostenhilfe nur unter der Voraussetzung einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu bewilligen. Das durch die Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil des LG Rostock vom 5.6.2008, Az: 4 O 206/07, geplante Rechtsmittel der Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, da das angefochtene Urteil weder auf einer Rechstverletzung beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

a) Das erstinstanzliche Urteil weist keine Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts auf.

Zu Recht ist der erstinstanzliche Richter davon ausgegangen, dass der durch die Klägerin mit der Klage verfolgte Vergütungsanspruch aus dem Anwaltsvertrag durch die Kündigung der Beklagten gem. § 628 Abs. 1 S. 2 BGB entfallen ist.

Alle drei Beklagten haben den mit der Klägerin geschlossenen Anwaltsvertrag über die Rechtsvertretung - in einer Verkehrsrechtssache anlässlich eines Unfalls vom 26.7.2002 mit den Eheleuten P. - am 19.7.2004 gekündigt. Die Kündigung ist durch die Beklagtenvertreter namens aller drei Beklagten ggü. der Klägerin schriftlich ausgesprochen worden. Infolge der Kündigung richteten sich die Rechtsbeziehungen der Parteien nach den §§ 627, 628 BGB. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz schließt die Anwendung dieser Vorschriften nicht aus (BGH NJW 1982, 437; WM 1977, 369, 371). Davon ist auch das LG zutreffend ausgegangen.

Wird nach Beginn der Dienstleistung das Dienstverhältnis aufgrund des § 627 BGB gekündigt, so kann der Dienstverpflichtete zwar nach dem in § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltenen Grundsatz einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Hat der Rechtsanwalt aber - was das LG angenommen hat - durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Auftraggebers veranlasst, so steht ihm nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Anspruch auf die Vergütung nicht zu, soweit seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse mehr haben.

Eine Leistung ist für den Dienstberechtigten ohne Interesse, wenn er sie nicht mehr wirtschaftlich verwerten kann, sie also für ihn nutzlos geworden ist. Dieser Lage sieht sich der Auftraggeber eines Rechtsanwalts gegenüber, wenn er wegen einer von dem bisherigen Prozessbevollmächtigten durch vertragswidriges Verhalten veranlassten Kündigung einen anderen Prozessbevollmächtigten neu bestellen muss, für den die gleichen Gebühren nochmals entstehen. Die Aufwendungen für den zuerst bestellten Prozessbevollmächtigten sind dann für den Auftraggeber nutzlos geworden. Das führt zum Untergang des Vergütungsanspruchs, ohne dass es einer Aufrechnung des Auftraggebers mit Gegenforderungen bedarf (BGH VersR 1982, 143; 1984, 985, WM 1977, 369).

So liegt der Fall hier. Das LG ist in nicht zu beanstandender Art und Weise aufgrund der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme (hierzu unter b) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin durch schwerwiegende schuldhafte Verletzung der ihr aus dem Anwaltsvertrag obliegenden Pflichten die Kündigung der Beklagten verursacht hat.

Einem Rechtsanwalt obliegt aus dem Anwaltsvertrag in erster Linie die Pflicht, die Interessen des Mandanten in den Grenzen des erhaltenen Mandats nach jeder Richtung umfassend wahrzunehmen und sein Verhalten so einzurichten, dass Schädigungen des Mandanten möglichst vermieden werden (MünchKomm/Heermann, BGB, 4. Aufl., § 675 Rz. 28). Zu seinen Pflichten gehört es insbesondere, den Mandanten umfassend zu beraten. Diese allgemeine Beratungs- und Belehrungspflicht besteht innerhalb wie außerhalb des Prozesses (Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 276 Rz. 179). Der Mandant muss über die Rechtslage belehr...

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