Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständiges Gericht für die Errichtung einer Nachlasspflegschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Nachlassgläubigers gem. §§ 1961, 1960 BGB besteht grundsätzlich die allgemeine örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichtes am letzten Wohnsitz des Erblassers gem. § 343 FamFG.

Gemäß § 344 Abs. 4 FamFG kann hierneben - und nicht stattdessen - für die Sicherung des Nachlasses die besondere örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts gegeben sein, in dessen Bezirk das Sicherungsbedürfnis besteht.

 

Normenkette

FamFG §§ 343, 344 Abs. 4; BGB §§ 1961, 1960

 

Verfahrensgang

AG Waren (Müritz) (Beschluss vom 13.07.2012; Aktenzeichen 5 VI 210/2012)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des AG Waren (Müritz) - Nachlassgericht - vom 13.7.2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Der Erblasser ist zwischen dem 14.8.2010 und dem 16.8.2010 verstorben. Die bislang nachlassgerichtlich ermittelten Erben haben das Erbe ausgeschlagen, so dass die Erben derzeit unbekannt sind.

Der Erblasser war Eigentümer des im Grundbuch von K. Blatt 614 eingetragenen Grundstücks. Zugunsten der Beteiligten ist im vorbezeichneten Grundbuch eine Zwangssicherungshypothek über 5.000 EUR in Abt. III Nr. 2 eingetragen. Die Beteiligte berühmt sich hierzu entsprechender Forderungen aus einer Geschäftsbeziehung mit dem Erblasser. In Anbetracht des Umstandes, dass die Erben des Erblassers derzeit unbekannt sind, sieht sich die Beteiligte an der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Forderungen auch im Wege der Zwangsvollstreckung gehindert und hat daher die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft beim AG Waren (Müritz) beantragt. Das AG hat zunächst unter Hinweis auf § 344 Abs. 4 FamFG dieses Antragsverfahren an das AG Halle (Saale) - Nachlassgericht - abgeben wollen, da das betroffene Grundstück im dortigen Amtsgerichtsbezirk liegt. Dieses hat die Sache zurückgereicht.

Hierauf hat das AG Waren (Müritz) mit angefochtenem Beschluss die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft mit der Begründung abgelehnt, dass in seinem Zuständigkeitsbereich zu sicherndes Vermögen nicht vorhanden sei und das Nachlassgericht im Zuständigkeitsbezirk des betroffenen Grundstücks ein Sicherungsbedürfnis nicht gesehen habe. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer Beschwerde.

II. Die Beschwerde der Beteiligten ist gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig und führt zur Zurückverweisung an das Nachlassgericht.

Für die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Nachlassgläubigers gem. §§ 1961, 1960 BGB besteht grundsätzlich die allgemeine örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts am letzten Wohnsitz des Erblassers gem. § 343 FamFG. Gemäß § 344 Abs. 4 FamFG kann hierneben - und nicht stattdessen - für die Sicherung des Nachlasses die besondere örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts gegeben sein, in dessen Bezirk das Sicherungsbedürfnis besteht. Die herrschende Meinung allerdings schließt die Anwendbarkeit des § 344 Abs. 4 FamFG auf die Anordnung der Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Nachlassgläubigers bereits deshalb aus, weil Sinn und Zweck der Nachlasspflegschaft nicht die Sicherung des Nachlasses, sondern die gerichtliche Durchsetzbarkeit der Gläubigerinteressen ist (Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl., § 344 Rz. 15). Hiernach ist die Zuständigkeit des AG Waren (Müritz) für den Antrag der Beteiligten gegeben, so dass das AG in der Sache zu entscheiden hat.

Aufgrund des allgemeinen Gerichtsstandes des § 343 FamFG kann sich das Nachlassgericht auch nicht darauf beschränken, dass in seinem Gerichtsbezirk ein Sicherungsinteresse nicht bestehe, weil dort Vermögen nicht vorhanden sei. Hierauf kommt es schon wegen der fehlenden örtlichen Beschränkung seines Zuständigkeitsbereiches nicht an. Überdies geht es im Rahmen des § 1961 BGB nicht darum, ob eine Sicherungsmaßnahme im Interesse des Nachlasses betreffend vorhandenen Vermögens erforderlich ist. Die Pflegschaftsanordnung nach § 1961 BGB soll dem antragstellenden Gläubiger die Durchsetzung seiner Ansprüche auch dann ermöglichen, wenn die Voraussetzungen des § 1960 Abs. 1 BGB vorliegen - also wie hier die Erben unbekannt sind und für die Pflegschaft ein Bedürfnis besteht.

Das Nachlassgericht wird somit unter Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens über die Anordnung einer Nachlasspflegschaft i.S.d. § 1961 BGB erneut zu befinden haben. Der Senat weist darauf hin, dass zu den Verfahren der gerichtlichen Durchsetzung i.S.d. § 1961 BGB auch ein Zwangsversteigerungsverfahren gehört, welches die Beteiligte durchzuführen beabsichtigt. Im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens, dessen Durchführung nach dem Todesfall des Vollstreckungsschuldners beabsichtigt ist, besteht schon deshalb ein Bedürfnis an einer Pflegschaft, weil ggf. der Vollstreckungstitel auf den Nachlasspfleger vor Antragstellung umzuschreiben ist, da ansonsten bereits die Eröffnung des Verfahrens abzulehnen ist ...

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