Leitsatz (amtlich)

1. In den Fällen der Unrichtigkeit des Grundbuches besteht infolge des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs die Gefahr, dass der (materiell-rechtlich) wahre Berechtige Nachteile erleidet.

2. Die Unrichtigkeit des Grundbuchs kann sowohl eine ursprüngliche oder nachträgliche sein, je nachdem, ob das Recht von Anfang an unrichtig eingetragen worden ist oder ob es nachträglich eine außerhalb des Grundbuchs wirksam gewordene Veränderung erfahren hat. In beiden Fällen ist § 22 GBO grundsätzlich anwendbar.

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Beschluss vom 05.02.2009; Aktenzeichen 2 T 444/08)

 

Tenor

1. Die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Stralsund vom 5.2.2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschwerde der Antragstellerin vom 2.12.2008 gegen die Zwischenverfügung des AG Stralsund vom 1.9.2008 als unzulässig verworfen wird.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 150.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die weitere Beschwerde ist unbegründet.

Die angefochtene Entscheidung des LG, die offensichtlich vom 5.2.2009 und nicht 5.2.2008 stammt, beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 78 GBO, 546 ZPO).

1. Weder der Inhalt des Schreibens der Antragstellerin vom 21.8.2008 noch die Beschwerde vom 7.10.2008 in der Gestalt des Schriftsatzes vom 2.12.2008 geben Anlass zu einer von der Rechtsauffassung des LG in der Sache abweichenden Beurteilung. Die Entscheidung des LG ist lediglich dahin abzuändern, dass die Erstbeschwerde bereits unzulässig ist.

a) Darin liegt keine Schlechterstellung des Rechtsmittelführers. Vielmehr ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn das LG eine unzulässige Beschwerde aus sachlichen Gründen zurückgewiesen hat, die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers mit der Maßgabe zurückzuweisen ist, dass die erste Beschwerde als unzulässig verworfen wird (BGH, Beschl. v. 3.2.2005 - V ZB 44/04, NJW 2005, 1430-1431).

b) Gemäß § 71 Abs. 2, Satz 1 GBO ist die Zulässigkeit der an sich statthaften Beschwerde i.S.d. § 71 Abs. 1 GBO beschränkt, soweit sie sich gegen eine Eintragung im Grundbuch richtet.

Dies ist hier der Fall:

Mit ihrem Schreiben vom 21.8.2008 begehrte die Antragstellerin eine Berichtigung des Grundbuchs mit der Begründung, Herr I. (der frühere Verwaltungsrat) sei nicht mehr berechtigt gewesen, im Namen der Antragstellerin die Grundschuld abzutreten. Die Eintragung des Abtretungsempfängers G. W. als Inhaber der vorbezeichneten Grundschuld stehe in Widerspruch mit der materiellen Rechtslage.

In den Fällen der Unrichtigkeit des Grundbuches besteht infolge des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs die Gefahr, dass der (materiell-rechtlich) wahre Berechtige Nachteile erleidet. Um dieser Gefahr zu begegnen, hat der Berechtigte folgende Möglichkeiten: Er kann in einem Prozess seinen materiell-rechtlichen Berichtigungsanspruch (§ 894 BGB) durchsetzen, einen Widerspruch gegen die Eintragung (§ 899 BGB) erwirken, eine formellrechtliche Grundbuchberichtigung (§ 22 GBO) beantragen bzw. die Eintragung eines Amtswiderspruches oder eine Amtslöschung (jeweils gem. § 53 GBO) anregen.

Der Antrag vom 21.8.2008 ist auf eine Berichtigung i.S.d. § 22 GBO gerichtet.

Die Unrichtigkeit des Grundbuchs kann sowohl eine ursprüngliche oder nachträgliche sein, je nachdem, ob das Recht von Anfang an unrichtig eingetragen worden ist oder ob es nachträglich eine außerhalb des Grundbuchs wirksam gewordene Veränderung erfahren hat. In beiden Fällen ist § 22 GBO grundsätzlich anwendbar (vgl. auch Böttcher in Meikel, Grundbuchordnung, 10. Aufl. 2009, § 22 Rz. 8). Die beanstandete Eintragung nimmt auch am Schutz des guten Glaubens (gemäß der §§ 892, 893 BGB) teil. Denn das AG hat einen anderen Inhaber des dinglichen Rechts eingetragen.

Da die Antragstellerin mit ihrem Berichtigungsantrag vor dem AG erfolglos eine "ursprüngliche Unrichtigkeit" geltend gemacht hat, richtet sich ihr Rechtsmittel in Wahrheit gegen die Vornahme der Eintragung selbst, worin eine unstatthafte Umgehung des § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO liegt. Hierbei ist es gleichgültig, ob das Vorbringen, die Eintragung sei von Anfang an unrichtig gewesen, auf die ursprünglichen Eintragungsunterlagen oder auf neue Tatsachen oder Beweise gestützt wird. Zulässig ist nur eine auf den Amtswiderspruch oder die Amtslöschung beschränkte Beschwerde (Böttcher in Meikel, Grundbuchordnung, § 71 Rz. 76 m.w.N.; Demharter, Grundbuchordnung, 26. Aufl. 2008, § 71 Rz. 30 m.w.N.).

Auf den ersten Blick erscheint die weitergehende Entscheidungsbefugnis des AG (Grundbuchamt) ggü. der des Beschwerdegerichts zu einem systemwidrigen Ergebnis zu führen. Zwar sind § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO und § 22 GBO in den Fällen der ursprünglichen Unrichtigkeit nicht vollständig aufeinander abgestimmt. Jedoch sollte - nach der Absicht des Gesetzgebers - verhindert werden, dass eine bereits vollzogene Eintragung durch ein Beschwerdegericht beseitigt wird, obgleich aufgrund dieser ...

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