Leitsatz (amtlich)

1. Ein Vergleich hat einen überschießenden Mehrwert, wenn die Parteien eine über den ursprünglichen Streitgegenstand hinaus gehende gütliche Einigung getroffen haben.

2. Wird ein Rechtsstreit, der Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits- bzw. Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zum Gegenstand hat, durch einen Vergleich beendet, in dem auch die - bislang nicht streitige - Beendigung des Versicherungsvertrages vereinbart wird, so ist der überschießende Vergleichswert aus einem Anteil von 20 % des dreieinhalbfachen Jahresbetrages der Summe aus (Renten-)Leistung und Prämien(-freistellung) zu ermitteln.

3. Bei der Krankentagegeldversicherung kommt diese Berechnung nicht in Betracht. Vielmehr sind lediglich 20 % des vereinbarten Krankentagegeldes für eine halbjährliche Bezugsdauer zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 9 ZPO findet keine Anwendung.

 

Normenkette

GKG § 39; ZPO §§ 3, 9

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 12.07.2018, Az. 10 O 628/17 (1), in der Fassung des Beschlusses vom 08.08.2018 wird zurückgewiesen.

2. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht.

 

Gründe

I. Die aus eigenem Recht erhobene Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers richtet sich gegen die angeblich zu niedrige Bemessung des Mehrwerts eines Vergleichs über Ansprüche aus einer Krankentagegeldversicherung.

Der von den Beschwerdeführern vertretene Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung. Eingeschlossen waren u.a. eine Pflege- und eine Krankenhaustagegeldversicherung sowie - für einen monatlichen Beitrag von 41,97 Euro - eine Krankentagegeldversicherung. Aus dieser hatte der Kläger seit November 2015 bis zum 05.10.2016 Leistungen erhalten. Mit seiner im August 2017 erhobenen Klage hatte er beantragt, die Beklagte zur Zahlung rückständigen Krankentagegeldes i.H.v. 50,00 Euro pro Tag seit dem 06.10.2016 bis zum 30.08.2017, insgesamt 16.400,00 Euro nebst Zinsen zu verurteilen (Antrag zu 1. auf Leistung) sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ab dem 31.08.2017 ein tägliches Krankengeld i.H.v. 50,00 Euro zu zahlen, solange der Kläger arbeitsunfähig sei (Antrag zu 2. auf Feststellung). Die Beklagte hatte eine Leistungspflicht in Abrede genommen, da Berufsunfähigkeit vorliege.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben die Parteien einen verfahrensabschließenden Vergleich geschlossen. Darin heißt es neben einer - nicht in Anspruch genommenen - Widerrufsmöglichkeit sowie einer Kostenregelung:

"1. Die Beklagte zahlt an den Kläger einen Betrag von 8.000,00 EUR.

2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die streitgegenständliche Krankentagegeldversicherung beendet ist und hieraus mit Erfüllung von Ziff. 1 dieses Vergleichs keinerlei wechselseitige Ansprüche mehr bestehen".

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12.07.2018 hat das Landgericht den Streitwert ohne nähere Begründung auf 23.600,00 Euro festgesetzt und festgestellt, dass ein überschießender Vergleichswert nicht bestehe. Gegen diese ihnen am 12.07.2018 formlos übersandte Entscheidung richtet sich die am 16.07.2018 beim Landgericht eingegangene Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der sie die Festsetzung eines Mehrwertes für den Vergleich i.H.v. 13.127,55 Euro begehren. Zur Begründung tragen sie vor, der Vergleich sehe auch die Aufhebung der streitgegenständlichen Versicherung vor. Dies sei nach ständiger Rechtsprechung mit 20 % des nach § 9 ZPO ermittelten, für die Leistungen maßgeblichen Betrages zu berücksichtigen, der sich aus der Summe der Versicherungsleistung (50,00 Euro pro Tag) und dem monatlichen Beitrag von 41,97 Euro ergebe.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 08.08.2018 teilweise abgeholfen und einen Mehrwert des Vergleichs von 1.825,00 Euro festgesetzt. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei der Mehrwert mit 20 % des vereinbarten Krankentagegeldes für eine sechsmonatige Bezugsdauer zu bestimmen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer sei § 9 ZPO hier nicht anwendbar.

Die Beschwerdeführer halten demgegenüber an ihrem Antrag fest. Im vorliegenden Verfahren habe der Kläger deutlich länger als sechs Monate Krankentagegeld bezogen, so dass nicht auf diesen begrenzten Zeitraum abgestellt werden könne. Entsprechend der Streitwertbemessung für einen auf Feststellung des Fortbestehens einer Krankentagegeldversicherung gerichteten Antrag müsse hier ebenfalls der dreieinhalbfache Jahresbetrag zu Grunde gelegt werden. Es gehe hier nicht um die - womöglich kürzere - Bezugsdauer von Krankentagegeld, sondern um den Bestand des Versicherungsverhältnisses.

Die Beklagte hat zu der Beschwerde Stellung genommen und meint, ein Mehrwert könne sich allenfalls auf den 3,5-fachen Jahresbetrag der Prämie belaufen.

Der zur Entscheidung berufene Einzelrichter hat das Verfahren nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 6 Satz 2 GKG wegen der grundsätzlichen Bedeutung dem Senat übertragen.

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