Leitsatz (amtlich)

Die §§ 22, 31 GKG begegnen verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit sie die Haftung einer Partei für die vom (berufungs-) beklagten Gegner im Vergleich übernommenen Prozesskosten begründen, wenn diesem Prozesskostenhilfe bewilligt ist.

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 01.09.2011; Aktenzeichen 5 AR (VS) 46/11)

 

Tenor

1. Das Verfahren wird dem BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 BVerfGG zur Entscheidung über die Rechtsfrage vorgelegt, ob die §§ 22 Abs. 1 S. 1, 31 GKG mit dem Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar sind.

2. Das Verfahren über die Erinnerung des Beklagten gegen den Kostenansatz des OLG vom 7.9.2010 wird bis zu einer Entscheidung des BVerfG ausgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat in dem vorliegenden, 2008 eingeleiteten Verfahren Unterhaltsansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht. In dem vom Beklagten betriebenen Berufungsverfahren, für welches der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist (GA III 93), haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, der mit Beschluss vom 26.8.2010 (GA III 169) festgestellt worden ist. Hinsichtlich der Kosten der Berufung haben sich die Parteien darauf verständigt, dass die Klägerin diese zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3 tragen.

Mit Kostenrechnung vom 7.9.2010 (GA III 188 und Vorblatt I) für das Berufungsverfahren hat die Kostenbeamtin die Gerichtskosten von 362 EUR dem Beklagten auferlegt. Das auf die Klägerin entfallende Drittel der Kosten trage der Beklagte wegen der von ihm eingelegten Berufung als Zweitschuldner, weil der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt sei.

Mit am 7.1.2011 eingegangenem Schriftsatz (GA III 187) hat der Beklagte um Überprüfung der Kostenrechnung gebeten. Die Kostenbeamtin hat das Ergebnis der Überprüfung mitgeteilt (GA III 189). Mit am 22.3.2011 eingegangenem Schriftsatz (GA III 190) wendet sich der Beklagte nochmals gegen die Kostenrechnung. Die Kostenbeamtin hat der Eingabe nicht abgeholfen (GA III 191R).

Die Vertreterin der Staatskasse hält die Erinnerung in ihrer Stellungnahme vom 25.3.2011 (GA III 192) für zulässig, aber unbegründet. § 31 Abs. 3 GKG finde keine Anwendung, weil die Klägerin nicht Entscheidungsschuldner, sondern Übernahmeschuldner sei. Dies entspreche dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzesbegründung.

Der Einzelrichter hat das Verfahren durch Beschluss vom 10.4.2011 (GA III 196) wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen.

II. Das Verfahren bestimmt sich nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Verfahrensrecht (Art. 111 Abs. 1 FGG-RG). Nach Übertragung durch den Einzelrichter wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache entscheidet der Senat als Kollegium über die Eingabe des Beklagten (§ 66 Abs. 6 S. 2 GKG). Der Senat hat das Verfahren auszusetzen und die Rechtsfrage, ob die §§ 22 Abs. 1 S. 1, 31 GKG mit dem Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar sind, gemäß Art. 100 GG, § 80 BVerfGG dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen. Denn die Erinnerung hätte nur Erfolg, wenn die Inanspruchnahme des Zweitschuldners auf Zahlung der auf den bedürftigen Prozessgegner entfallenden Gerichtskosten entgegen den §§ 22 Abs. 1 S. 1, 31 Abs. 1, Abs. 3 GKG auch dann ausgeschlossen wäre, wenn es sich bei jenem um einen Übernahmeschuldner handelt (1), und der Senat hält die bestehende einfachgesetzliche Regelung für mit der Verfassung nicht vereinbar (2).

1. Der Rechtsbehelf ist als Erinnerung gegen den Kostenansatz zulässig (§ 66 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 6 GKG, Art. 111 Abs. 1 FGG-RG), hätte in der Sache aber nur Erfolg, wenn die §§ 22 Abs. 1 S. 1, 31 Abs. 1 GKG nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Partei wie bei Entscheidungsschuldnern (§ 31 Abs. 3 GKG) auch auf Übernahmeschuldner nicht anzuwenden wären.

a) Die Erinnerung ist auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung der §§ 22 Abs. 1 S. 1, 31 Abs. 1, Abs. 3 GKG unbegründet.

Ist einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt, können - abgesehen von Raten oder Vermögensbeträgen nach § 115 ZPO - Gerichtskosten gegen sie nicht angesetzt werden (§ 122 Abs. 1 ZPO). Handelt es sich bei der Partei um einen Entscheidungsschuldner, gilt die Kostenprivilegierung auch für den Gegner (§§ 29 Nr. 1, 31 Abs. 3 GKG).

Demgegenüber macht eine ausdrückliche oder gem. § 98 ZPO fingierte Kostenregelung in einem gerichtlichen Vergleich die Parteien zu Übernahmeschuldnern (§ 29 Nr. 2 GKG). Ein solcher Übernahmeschuldner ist aufgrund der vergleichsweisen Kostenregelung die Klägerin des vorliegenden Verfahrens. Nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 3 GKG ist deshalb der Ansatz des auf die Klägerin entfallenden Kostenanteils gegen den Beklagten - der als Berufungskläger Veranlassungsschuldner (§ 22 Abs. 1 S. 1 GKG) und damit Zweitschuldner (§ 31 Abs. 2 S. 1 GKG) ist und dem nicht seinerseits Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist (§ 122 Abs. 1 ZPO) - nicht gehindert. Dies hätte zur Folge, dass der Beklagte bei der bedürftigen Klägerin Rückgriff nehmen könnte (§ 123 ZPO) und deren Kostenprivilegierung nach § 122 Abs. 1 ZPO auf diesem Umweg entfiele.

Aufgrund des eindeutigen Wortlauts kann § 31 Abs...

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