Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufstockungsunterhalt: Entstehen ehebedingter Nachteile bei Abbruch des Studiums wegen der Geburt eines Kindes. Bestimmung des angemessenen Lebensbedarfs. Unterhaltsbefristung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Entstehung sog. ehebedinger Nachteile bei Abbruch eines Studiums wegen der Geburt eines gemeinsamen Kindes.

2. Der angemessene Lebensbedarf i.S.v. § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB richtet sich danach, welches Einkommen der Berechtigte ohne Unterbrechung der Erwerbstätigkeit aktuell erwirtschaften würde.

 

Normenkette

BGB § 1573 Abs. 2, § 1578b Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 28.01.2009; Aktenzeichen 52 F 3211/08 UE)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG - Familiengericht - Oldenburg vom 28.1.2009 geändert:

Die Unterhaltsverpflichtung des Klägers aus dem am 1.3.2006 beim AG - Familiengericht - Oldenburg abgeschlossenen Vergleich wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger an die Beklagte bis einschließlich Dezember 2013 nachehelichen Unterhalt von 480 EUR monatlich zu zahlen hat.

Die Kosten der 1. Instanz trägt der Kläger zu 2/3, die Beklagte zu 1/3. Die Kosten der 2. Instanz trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Abänderung eines gerichtlichen Scheidungsfolgenvergleichs vom 1.3.2006, mit dem sich der Kläger u.a. verpflichtet hat, an die Beklagte einen monatlichen Aufstockungsunterhalt i.H.v. 480 EUR zu zahlen.

Der Kläger ist 1956, die Beklagte 1958 geboren. Die Beklagte hat eine 1981 geborene Tochter ... aus erster Ehe. Sie legte 1986 die Prüfung für Nichtabiturienten ab und begann im gleichen Jahr ein Studium für das Handelslehramt in Oldenburg. Der Kläger war bereits ab 1986 als Handelslehrer in Neustadt tätig und wohnte in Hannover. Am 25.4.1988 legte die Klägerin das Vordiplom ab und setzte anschließend das Studium bis zur Geburt der gemeinsamen Tochter ... am 28.9.1989 fort. Im September 1990 heirateten die Parteien. Zum 1.2.1991 nahm der Kläger eine Tätigkeit im Schuldienst in Oldenburg auf und zog von Hannover nach Oldenburg. Im gleichen Jahr kauften die Parteien ein Haus in Oldenburg. Ab 1992 war die Beklagte in verschiedenen Jobs, u.a. als Putzhilfe, in Teilzeit tätig. Von August 1995 bis Januar 1997 absolvierte sie eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau und legte im November 1999 die Ausbilderprüfung ab. Bereits seit September 1998 war sie als Dozentin bei verschiedenen Bildungsträgern tätig.

Im August 2000 trennten sich die Parteien. Die Scheidung erfolgte am 24.4.2002 ... wurde in der Folgezeit im Wechselmodell jeweils hälftig betreut. Am 1.3.2006 schlossen die Parteien einen umfassenden gerichtlichen Scheidungsfolgenvergleich (AG Oldenburg 52 F 3295/05 UE). Zu dieser Zeit war die Beklagte mit 32 Stunden fest beim ... beschäftigt. Seit September 2008 arbeitet sie mit einer bis Herbst 2009 befristeten Vollzeitstelle als Ausbilderin im ... lebte von Mai 2008 bis Dezember 2008 ganz im Haushalt des Vaters. Sie wohnt jetzt im Haus der Mutter und absolviert eine Ausbildung. Ergänzend wird wegen des Sachverhalts gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das AG Oldenburg hat durch das angefochtene Urteil vom 28.1.2009 den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich vom 1.3.2006 dahingehend abgeändert, dass der Kläger der Beklagten ab dem 1.1.2009 keinen Unterhalt mehr schuldet. Der Unterhalt sei zu befristen, da keine ehebedingten Nachteile ersichtlich seien.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Ihrer Ansicht nach hat das AG nicht hinreichend berücksichtigt, dass sie ohne Geburt und Ehe ihr Studium beendet hätte. Sie könne die infolgedessen entstandenen ehebedingten Nachteile aufgrund ihres Alters nicht mehr ausgleichen. Demgegenüber werde der Kläger durch die Unterhaltszahlung kaum belastet.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Familiengerichtes Oldenburg vom 28.1.2009 dahingehend abzuändern, dass der Kläger ggü. der Beklagten weiterhin entsprechend des am 1.3.2006 beim Familiengericht Oldenburg (52 F 3295/05 UE) angeschlossenen Vergleichs verpflichtet ist, bis einschließlich Dezember 2013 nachehelichen Unterhalt von 480 EUR zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er behauptet, zumindest ab 1991 einen wesentlichen Teil der Kinderbetreuung übernommen zu haben. Die Beklagte habe freiwillig auf eine Fortführung des Studiums zugunsten der absolvierten Ausbildung verzichtet. Es habe auch keine finanziellen Schwierigkeiten gegeben, die einer Fortführung des Studiums entgegengestanden hätten.

Die Akten des AG Oldenburg, Az. 52 F 3295/05 haben vorgelegen.

II. Die Berufung ist zulässig und begründet.

1. Die Abänderungsklage ist zulässig gem. § 323 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Änderung eines Prozessvergleichs richtet sich nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB. Für die Zulässigkeit der Klage ist nur erforderlich, dass der Klä...

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