Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Schlüssigkeit eines Anspruchs auf Elternunterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

Macht ein Sozialhilfeträger gegen ein Kind aus übergegangenem Recht Unterhalt für einen Elternteil geltend, der das Rentenalter noch nicht erreicht hat, ist der Anspruch nur dass schlüssig begründet, wenn im Einzelnen die Gründe dargelegt werden, weshalb der Elternteil seinen Bedarf nicht aus eigener Erwerbstätigkeit oder nicht subsidiären Sozialleistungen decken kann.

Ein Unterhaltsanspruch kommt nicht bereits deshalb in Betracht, weil der Elternteil nach jahrzehntelanger Erwerbslosigkeit (und Sozialhilfebezug) nunmehr ein Alter erreicht hat, in dem er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erfahrungsgemäß keine Beschäftigung mehr zu befinden vermag.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1611

 

Verfahrensgang

AG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 04.10.2005; Aktenzeichen 59 F 2/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4.10.2005 verkündete Urteil des AG - FamG - Oldenburg geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch. Sie erbrachte für die im Mai 1940 geborene Mutter des Beklagten in der Zeit von Januar 2003 bis Dezember 2004 laufend Hilfe zum Lebensunterhalt von monatlich jeweils mehr als 400 EUR. Über die Zahlung unterrichtete sie den Beklagten mit Rechtswahrungsanzeige vom 21.1.2003 und 1.9.2003.

Der Beklagte verfügt über ein regelmäßiges Einkommen als Angestellter. Er lebt zusammen mit seiner Lebensgefährtin in einem im Jahr 2003 errichteten Haus, an dem noch Restarbeiten zu erledigen sind. Die bestehenden Verbindlichkeiten werden teils von ihm, teils von seiner Lebensgefährtin aufgebracht. Von 2004 an erhält der Beklagte eine Eigenheimzulage i.H.v. jährlich 2.600 EUR.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin auf der Grundlage von ihr vorgenommener Einkommensberechnungen monatliche Beträge von 16 und 27 EUR sowie ab 2004 monatlich 169 EUR, insgesamt 2.286 EUR, geltend gemacht.

Dieser Klage hat das AG - FamG - Oldenburg mit Urteil vom 4.10.2005 antragsgemäß stattgegeben.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, nicht leistungsfähig zu sein, weil die Verbindlichkeiten für das Haus nur teilweise berücksichtigt worden seien und er Beiträge zu weiteren Lebensversicherungen zu leisten habe.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des AG - FamG - Oldenburg vom 4.10.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Weitere tatsächliche Feststellungen hat der Senat nicht getroffen.

II. Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Klägerin kann von dem Beklagten keinen Unterhalt aus übergegangenem Recht beanspruchen.

Einem Erfolg der Klage steht bereits entgegen, dass die Klägerin keinen Grund für einen Unterhaltsanspruch der Mutter des Klägers dargelegt hat.

Hierfür genügt der Bezug von Sozialhilfe nicht, weil daraus allein der Grund der Bedürftigkeit nicht zu erkennen ist. Im Rahmen des Erwachsenenunterhalts gilt grundsätzlich das Prinzip wirtschaftlicher Eigenverantwortung. Dieses beinhaltet die Verpflichtung, selbst für den Lebensunterhalt zu sorgen, wobei von einer jedenfalls bis zum Beginn des Rentenalters (§§ 35, 237a SGB VI) bestehenden Erwerbsverpflichtung auszugehen ist. Der Umfang dieser Erwerbsverpflichtung beurteilt sich nach einem ähnlichen Maßstab, wie er für die Unterhaltspflicht ggü. minderjährigen Kindern gilt (Scholz/Stein/Syka, Praxishandbuch Familienrecht, J Rz. 16). Sollte eine eigene Erwerbstätigkeit alters- oder krankheitsbedingt nicht mehr in Betracht kommen, sind vorrangig Ansprüche auf nicht subsidiäre Sozialleistungen wie die Erwerbsunfähigkeitsrente oder Leistungen der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit in Anspruch zu nehmen. Ein Unterhaltsanspruch kommt daher nur dann in Betracht, wenn aus keinem solcher vorrangig geltend zu machenden Ansprüche ein bedarfsdeckendes Einkommen erzielt werden kann.

Da der Klägerin keine weiter gehenden Ansprüche zustehen, als sie die Mutter des Beklagten diesem ggü. direkt hätte geltend machen könnte, bedurfte es zur Begründung des Anspruchs zunächst einer detaillierten Darlegung der Bedürftigkeit. Diese ergibt sich nicht bereits daraus, dass die Mutter des Beklagten seit 1979, d.h. seit ihrem 40. Lebensjahr, mit geringen Unterbrechungen Sozialhilfe bezogen hat, obwohl - wie die Klägerin zugesteht - eine Erwerbsfähigkeit bestanden hat. Die Frage der unterhaltsrechtlichen Bedürftigkeit beurteilt sich daher nicht danach, ob die Mutter des Beklagten im Alter von mehr als 60 Jahren noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbar ist, sondern danach, ob sie bei Ausschöpfung der bestehenden Erwerbsverpflichtungen weiterhin auf ein Arbeitseinkommen oder selbst erworbene Rentena...

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