Leitsatz (amtlich)

In sog. Polizeiflucht-Fällen verwirklicht der verfolgte Kraftfahrzeugführer zwar möglicherweise den Tatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens in der Alternative des § 315d Abs.1 Nr.3 StGB (Einzelrennen), eine Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen i.S.d. § 315d Abs.1 Nr.2 StGB liegt jedoch mangels Wettbewerbscharakters und konkludenter Rennabsprache nicht vor.

 

Normenkette

StGB § 315d Abs. 1 Nrn. 2-3

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Entscheidung vom 16.05.2022)

 

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 16. Mai 2022 wird als unbegründet verworfen.

Die Liste der angewendeten Vorschriften wird dahingehend berichtigt, dass die Angabe §§ 3 Abs. 3 Nr. 2 c), 49 Abs. 1 Nr. 3 entfällt und stattdessen §§ 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2 lfd. Nr. 49 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Nr. 4 eingefügt wird.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

Dem Angeklagten wird mit rechtzeitig angefochtenen Strafbefehl vom 8. November 2021 vorgeworfen, am TT.MM.2021 gegen 23:15 Uhr in Nordhorn im Straßenverkehr sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt zu haben, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen, Vergehen nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. Das Amtsgericht Nordhorn hatte sich vom Vorliegen einer Straftat nicht zu überzeugen vermocht und den Angeklagten am 27. Dezember 2021 lediglich wegen einer Ordnungswidrigkeit, nämlich vorsätzlicher Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage (Rotlichtdauer über 1 Sekunde) in Tateinheit mit einer vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 50 km/h, zu einer Geldbuße von 300 € verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt, wobei es wegen eines bereits in der Vergangenheit verhängten Fahrverbots von einer Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG abgesehen hat.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Osnabrück mit Urteil vom 16. Mai 2022 als unbegründet verworfen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und von der Generalstaatsanwaltschaft vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die sich mit der Sachrüge gegen das Urteil insgesamt wendet und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr der Angeklagte am TT.MM.2021 mit seinem Pkw Audi A 4, amtliches Kennzeichen (...), die B 403 in Nordhorn in Richtung Neuenhauser Straße, als ihm ein Streifenwagen, in dem sich die Polizeibeamten BB und CC befanden, entgegenkam. Die Beamten wendeten den Streifenwagen und fuhren hinter dem Angeklagten her. Als der Angeklagte bemerkte, dass die Polizeibeamten ihren Wagen wendeten und hinter ihm herfuhren, beschleunigte er stark bis zu dem Ortsschild. Auch als der Angeklagte bemerkt hatte, dass die Polizeibeamten das Martinshorn einschalteten und ihm ein Anhaltesignal gaben, beschleunigte er zunächst weiter und bog dann links in die Neuenhauser Straße ein. Er missachtete an dem Kreuzungsbereich Neuenhauser Straße/Pestalozzistraße/E.straße das Rotlicht der Ampelanlage, das bereits seit mehr als 1 Sekunde lang für seine Fahrtrichtung rot anzeigte, und bog nach rechts in die außerorts belegenen E.straße ein. Die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 70 km/h. Der Angeklagte befuhr diese Straße mit mindestens 120 km/h. Hinter der Ampelkreuzung Neuenhauser Straße/Pestalozzistraße/E.straße bog der Angeklagte im Kreisverkehr rechts auf den Postdamm/Paradiesweg ein. Die Polizeibeamten konnten den Abstand nicht verringern und brachen zunächst die Verfolgung ab, nachdem ihr Fahrzeug mehrfach aufgesetzt hatte. Dass auch das Fahrzeug des Angeklagten beim Befahren des Paradiesweges aufsetzte, hat die Strafkammer nicht festzustellen vermocht.

Der Angeklagte fuhr sodann über den Fuchsweg zurück in Richtung Neuenhauser Straße, wo ihn schließlich die Beamten anhielten. Während der gesamten Fahrt war der Angeklagte der Auffassung, er hätte mit seinem Fahrzeug auf der ihm bekannten und in Teilen geraden Strecke schneller fahren können. Das Fahrzeug hatte 245 PS.

Dass der Angeklagte die Absicht hatte, auf einer nicht ganz unerheblichen Teilstrecke die situativ mögliche Höchstgeschwindigkeit zu erreichen, habe die Kammer nicht feststellen können. Voraussetzung hierfür sei, dass es dem Angeklagten bei seinem Handeln darauf ankam, als notwendiges Zwischenziel für eine erfolgreiche Flucht vor der Polizei die nach den situativen Gegebenheiten höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Die Absicht müsse darauf gerichtet sein, die nach den Vorstellungen des Täters unter den konkreten situativen Gegebenheiten wie Motorisierung, Verkehrslage, Streckenverlauf, Witterung und Sichtverhältnisse maximal mögliche Geschwindigke...

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